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Berlin: Hans Seyfarth, geb. 1953

Napoleon Seyfarth war eine Sau. Eine schwule Sau.

Napoleon Seyfarth war eine Sau. Eine schwule Sau. Das hat er selbst gesagt. Der in Oggersheim geborene Mann, der eigentlich Hans hieß, starb am zweiten Dezember in seinem "Schloss Neuschweinstein" in der Motzstraße, Schöneberg. "Schweine", hat der Autor in einem Interview gesagt, "sind ein Symbol der Wollust. Außerdem sind sie auch schwul." Napoleon Seyfarth trug meistens eine rosa Plüschsau in Lederkluft mit sich herum - auf seinem enzianblauen Sarg tummelten sich kleine, fette Schweine. Und seine Autobiografie trägt den Titel: "Schweine müssen nackt sein". Jeder Satz, jede Geste des schwulen Schriftstellers enthielt mindestens eine sexuelle Andeutung - Seyfarth, die Provokation auf zwei Beinen in engen, weißen "Napoleon"-Hosen, bestimmt das Szene-Leben noch über seinen Tod hinaus: Am 9. Januar lädt er alle Weggefährten in die Schwulenkneipe "Hafen". Sie sollen feiern, er hat schon alles bezahlt.

Er wusste, dass sein Leben früh zu Ende sein würde. 1988 bescheinigte man ihm ein positives AIDS-Testergebnis, 1998 brach die Krankheit aus. So schillernd-schräg wie sein Leben inszenierte Napoleon Seyfarth auch sein Sterben - letztes Jahr kauften er und sein Lebensgefährte Schlomo Schlotto sich ein gemeinsames, historisches Grab auf dem St. Matthäus Friedhof in der Großgörschenstraße. "Den Gedanken, als katholischer Oggersheimer und jüdischer Düsseldorfer für ewig vereint in einem phallesk-pittoresken Grab auf einem prostestantischen Friedhof mitten im heidnischen Berlin zu liegen, fanden die beiden Dichter todschick", schrieb Seyfarth in einem Nachruf auf sich selbst. Schlomo Schlotto soll sich bester Gesundheit erfreuen.

Auch den Schweine-Sarg, der die letzten Monate über in seiner Wohnung stand und als Wäscheschrank und Sektkühler diente, suchte sich der Kolumnist des Szenemagazins "Siegessäule" bereits lange vor seinem Tod aus. Der eigentliche Beerdigungstermin war, für manche Szene-Kenner überraschend, nur einem überschaubaren Personenkreis bekannt. Nach seinem Tod erhielten enge Freunde ein gelbes Postpaket mit dem Nachlass des ehemaligen Postbeamten. Darin befindet sich ein dicker Aktenordner mit ordentlich abgehefteten Lebensläufen, Bibliografien, Fotos, wissenschaftlichen Abhandlungen - und ein ebenso dickes Plastik-Schwein in Straps-Gurten.

Den Tod stellte sich Napoleon Seyfarth, der 1989 in Berlin eine Lesbe heiratete, als Orgasmus vor, als letzte große Penetration. "Er hat sich darauf gefreut", sagt Holger Wicht, sein Kollege und Weggefährte von der "Siegessäule". "Er war penetrant im wertfreien Sinne, ein Lästermaul, aber nicht platt, sondern belesen und intelligent." Er sei ein Ausgehsüchtiger gewesen, bis zuletzt draußen im Leben und eigentlich viel zu lebendig, um zu sterben.

Anlässlich der Vernissage seines Grabes, zu der Napoleon Seyfarth 1999 alle Freunde auf den Friedhof bat und eine kleine rituelle Prozession veranstaltete, sagte er: "Mein Todesmotto ist das gleiche wie mein Lebensmotto: Vier Fäuste und kein Hallelujah! Oder: Im Rudel wir oft kamen. Wurst ist mein Ende. Amen."

oom

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