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Berlin: Heimatmuseum Tiergarten: Und "bitte recht freundlich"

Die Fotografie war eine aufwendige Sache Anfang des Jahrhunderts. Der Apparat, so groß wie eine Hutschachtel, musste auf ein Stativ gehievt, für jede Aufnahme eine neue Platte in das Gerät geschoben werden.

Die Fotografie war eine aufwendige Sache Anfang des Jahrhunderts. Der Apparat, so groß wie eine Hutschachtel, musste auf ein Stativ gehievt, für jede Aufnahme eine neue Platte in das Gerät geschoben werden. Der Fotograf bewahrte dennoch Haltung, ging seinem Handwerk in Gehrock und Melone nach. So war es zumindest im Fotokurs des Moabiter Drogisten Friedrich Hermann Bardorf im Jahre 1905. Ende des 19. Jahrhunderts wandte sich der geborene Thüringer der damals revolutionären Technik zu. Bis heute gibt es in der Turmstraße 74 ein Optik- und Fotogeschäft Bardorf, das erst vor wenigen Jahren von der Familie abgegeben wurde.

Mit der Ausstellung "Bitte recht freundlich" widmet sich das Heimatmuseum Tiergarten der 104 Jahre alten Firmengeschichte des Ladens. Die Familie hat sie gut dokumentiert. Neben Ansichten des Bardorfschen Geschäfts zeigen die Schwarz-Weiß-Aufnahmen Szenen aus dem Vorkriegsberlin. Darunter sind alte Aufnahmen vom Stadtschloss, vom Kolonialmuseum an der Moltkebrücke und vom Jüdenhof in Mitte.Ausgestellt werden zudem etliche Platten-, Rollfilm-, Stereo- und Kleinbildkameras.

"Mein Großvater war ein unheimlich kreativer Mann, eine Unternehmerpersönlichkeit", sagt der 70-jährige Wolfgang Bardorf, der bis 1996 die Geschäfte in der Turmstraße führte. Sein Großvater Hermann war aus Thüringen nach Berlin-Moabit gekommen und hatte an der Gotzkowsky- Ecke Zwinglistraße seine Drogerie eröffnet. In einem Kurs lernte er das Fotografieren. Fortan gab er selbst Unterricht. "Drei Dunkelkammern stehen den Herren Amateuren zur Benutzung frei", stand als Werbung an der Drogerie. 1907 zog der Betrieb als Foto- und Optikladen in das nicht weit entfernte Geschäft in der Turmstraße. Hermann Bardorf versuchte sich mit der Industriefotografie und experimentierte an einem Entwickler für Röntgenaufnahmen.

Der Enkel Wolfgang hat seinen umtriebigen Großvater nicht mehr bewusst erlebt. Als dieser starb, war er noch nicht einmal ein Jahr alt. 1967 stieg der gelernte Optiker in das Geschäft ein, spezialisierte sich auf Taucherbrillen mit geschliffenen Gläsern. Vor vier Jahren gab er den Laden aus Altersgründen auf. Trotz Brillensupermärkten sieht er für sein Handwerk noch eine Zukunft: "Wenn man einen guten Service bietet und sich spezialisiert."

Seine Kinder gehen indessen andere Wege. Die beiden Söhne sind Erzieher und Krankenpfleger, seine Tochter ist Schauspielerin geworden.

tob

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