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Berlin: Heine hält die Neue Wache

Heute wird im Kastanienwäldchen ein Abguss des Dichter-Denkmals aufgestellt

Heute gibt es nur glückliche Gesichter bei einer Zeremonie im Kastanienwäldchen zwischen Neuer Wache, Humboldt-Uni und Maxim-Gorki-Theater: Mit 46-jähriger Verspätung schwebt Heinrich Heine als Bronzeplastik auf den Sockel schräg gegenüber dem Palais am Festungsgraben, bejubelt von nahezu allen, die mit dem Fall Heine seit dem Fall der Mauer befasst sind.

Die Geschichte beginnt 1956, als der Bildhauer Waldemar Grzimek ein Heine-Denkmal modelliert, das zum 100. Todestag des Dichters im Kastanienwäldchen aufgestellt werden soll, auf jeden Fall in der Nähe der „Linden“. Hier wohnte der Feuerkopf eine Zeit lang und ließ sich zu hinreißenden Versen inspirieren: „Ja, Freund, hier unter den Linden kannst du dein Herz erbaun, hier kannst du beisammen finden die allerschönsten Frau’n . . .“ Der Bildhauer hatte seinen lässig auf einem Stuhl sitzenden Dichter in einer sehr lebendigen Pose modelliert: Heine beim Erklären, Erzählen, Diskutieren. „Ich habe versucht, in meinem Denkmal Neues zu geben, ohne dabei banal zu werden. Ich will in Figur und Haltung die Kraft und Aggressivität des Dichters ausdrücken, während in den Zügen des Gesichtes die Weichheit des Lyrikers und zugleich die Ironie des großen Spötters eingefangen sind“, sagte Grzimek, überzeugt, dass sich Gorki und Heine gut vertragen werden.

Dazu kam es aber nicht, weil engstirnigen Kulturfunktionären eine „repräsentative“, mehr heroische Darstellung vorschwebte. So kam Heinrich Heine zunächst auf die Museumsinsel, bis er dann am Weinbergsweg sesshaft wurde, an der Ecke der Brunnen-und Veteranenstraße – sehr zur Freude der Kinder, die stets eine enge Beziehung zum Dichter pflegen, indem sie gern auf seinen Schoß klettern.

Nach der Wende wurde die Geschichte mit dem richtigen Denkmal am falschen Ort öffentlich. Christoph Stölzl, damals Direktor des Deutschen Historischen Museums, und Gernot Moegelin, der Verwalter des künstlerischen Nachlasses des 1984 gestorbenen Waldemar Grzimek, sahen die Zeit für gekommen, Heinrich Heine an seinen rechten Platz zu rücken, ohne ihn den Heine-Freunden am Volkspark Weinbergsweg wegzunehmen. In der renommierten Bildgießerei Hermann Noack waren die Original-Gipsformen noch vorhanden, und mit dem Unternehmer Peter Dussmann wurde ein edler Sponsor gefunden, der 250 000 Mark für den Neuguss spendierte, nachdem Stölzl vor fünf Jahren im „Tagesspiegel“ leidenschaftlich für „ein Zeichen der Liebe und Verbundenheit zu einem Genie“ appelliert hatte. Stölzls Vision wird heute, am 205. Geburtstag Heines, wahr: „Unter den Linden wandelnd, werden wir Heinrich Heine aus der Tiefe des Kastanienwäldchens heraus zu uns blicken sehen. Die Liebespaare werden sich dort verabreden, die Studenten werden ihn zum Speakers corner erwählen.“

Nun haben wir zwei Heines in der Stadt, nachdem die Skepsis des Baustadtrats von Mitte, Thomas Flierl, dafür gesorgt hatte, dass der neu gegossene Dichter jahrelang bei Noacks auf seinen Auftritt wartete. Heute ist der Mann Kultursenator und hält eine Heine-Rede. Mal hören, was er so sagt.

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