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Berlin: Heiße Tasse

Martin Knipphals ist ein Meister der Teezeremonie Im Museum Dahlem zeigt er hohe Kunst aus Japan

Waldspaziergang. Fisch. Verschüttete Kindheitserinnerungen. Die Assoziationen der Teezeremonie-Besucher sind vielfältig, wenn sie das Ergebnis der meditativen Zubereitung, den grünen, herben Tee, kosten. Eine Stunde lang hat Teemeister Martin Knipphals in dem Teehäuschen im Museum für Ostasiatische Kunst zahlreiche ruhige Handgriffe getan: hat Schalen geputzt, auf seiner Handfläche gedreht, hat Wasser geschöpft, mit einem Pinsel den Aufguss schaumig geschlagen. Der Zeremonienmeister hat drei Gäste im karg eingerichteten Häuschen bewirtet, die vorsichtig auf den Knien umherrutschten. Er hat sie ermutigt: „Sie werden sowieso alles falsch machen. Also seien Sie ganz gelassen.“ Nun werden auch den vor dem Teehaus sitzenden Zuschauern japanische Süßigkeiten und der erstaunlich zähflüssige Matcha-Tee gereicht. Und Martin Knipphals, in blauem Kimono, plaudert ein wenig über den „chado“ genannten Weg zur Erkenntnis durch Teezubereitung.

Der 52 Jahre alte Inhaber einer Firma für japanischen Haus- und Gartenbau kommt einmal im Monat aus Bergisch Gladbach nach Berlin. Ein Präsentationshaus dieser Größe, in das man wie auf eine Bühne schauen kann, ist in deutschen Museen einzigartig. Das Dahlemer Museum wiederum fragte Knipphals, weil er dieses Ritual auch anderorts öffentlich vorführt. Seit 16 Jahren geht er den Teeweg, hat mühsam die streng formalen Bewegungsabläufe gelernt. In der Hauptstadt nun, wo er seit einem Jahr seine Kunst zeigt, soll die Teezubereitung nicht nur interessierte Laien unterhalten, sondern gleichzeitig zur Völkerverständigung beitragen – auch wenn sich das Wort für die dem Zusammentreffen zu Grunde liegende Bescheidenheit etwas groß ausnimmt. So lud das Museum zur letztjährigen Neujahrszeremonie einen japanischen Botschaftsrat, der noch nie zuvor eine Teezeremonie verfolgt hat. Und nun bekam er die eigene Kultur von einem Deutschen vermittelt.

Martin Knipphals hat an solchen Begebenheiten seine Freude. Schließlich könne eine Teezusammenkunft, die seit dem 12. Jahrhundert in Japan bekannt ist, kulturelle, gesellschaftliche und religiöse Unterschiede auslöschen – wenigstens für diese eine Stunde. „Tee mit heißem Wasser, darum geht es hier“, wiederholt der Hausherr im Teehaus stets aufs Neue. Und doch wird mit mehr gekocht als nur mit Wasser. Existenzielle Begriffe fallen: Geburt, Leben, Tod, Wiedergeburt. Das Geheimnis der Versenkung kann Knipphals nur andeuten – ohne glücklicherweise in einen raunenden Ton zu verfallen. Stattdessen ergibt er sich so lange vernünftigen Schlüssen, bis seine Sätze sich aller Logik entledigt haben. Zen-philosophische Einsichten sind mitunter sehr paradox, so dass man - bei aller Einkehr – auch manchmal darüber schmunzeln mag. Museumskurator Alexander Hofmann jedenfalls bremst den Teemeister, als dieser sich durch Vergleiche mit der Kunst des Bogenschießens bei der Erkenntnis festgefahren hat, dass „der Tee sich selbst abschießt“.

Auch wenn der Besucher keine großen Weisheiten in seinem trüben Tee findet, tröstet er sich vielleicht mit den Assoziationen, die der erdige Geschmack und das Koffein auslösen. Denn so ein Tee mit heißem Wasser kann doch unglaublich stark sein.

Die Neujahrs-Teezeremonie findet heute um 16 Uhr im Museum für Ostasiatische Kunst, Lahnstraße 8, Dahlem, statt. Die Teilnahme inklusive Verkostung kostet 10 Euro zuzüglich Museumseintritt.

Daniel Völzke

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