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Berlin: Herbert Löffelmeyer (Geb. 1953)

Erst ein leichtes Beben, dann ein Zucken und ein lautes Lachen. Alles vorm Altar

Wir sind nicht römisch-katholisch, sondern berlinisch-katholisch“, hatte ein Pfarrer in der Weddinger St.-Petrus-Gemeinde einmal gesagt. Das galt auch für Herbert Löffelmeyer.

Er wuchs in einer Arbeiterfamilie in Wedding auf. Zwei Zimmer für Vater, Mutter, den älteren Bruder Klaus und die Oma. „Ein bisschen Zillemilieu“, sagt der Bruder. Katholisches Zillemilieu: Mehrmals täglich wurde gebetet.

Seine freie Zeit verbrachte Herbert mit Freunden aus der St.-Petrus-Gemeinde, darunter Georg, der ein Freund blieb bis zum Schluss. Sie hörten Volksmusik, renovierten die Jugendräume, organisierten Weihnachtsbasare. Auch den Tanzkurs besuchten sie gemeinsam. Georg heiratete später seine Tanzpartnerin. Herbert verliebte sich weder in seine Tanzpartnerin noch in andere Mädchen. Falls doch, so hat er sich nichts anmerken lassen.

Nach dem Hauptschulabschluss fing er als Ungelernter in einem kleinen Lebensmittelladen an. Er bildete sich fort und bestand die „Hackfleischprüfung“. Wenn der Laden abends schloss, lieferte er mit seinem Chef Lebensmittel aus, zum Beispiel im „Merkwürdigen Viertel“, durch dessen weite Hochhausschluchten er drei Schultheiss-Kästen auf einmal schleppte.

1977 kam Pfarrer Schlütter nach St. Petrus, der die Jugendarbeit belebte. Auch Herbert ließ sich von ihm mitreißen und wurde Mitglied der Fokolarbewegung, der es um eine „geeinte Welt“ geht, zum Beispiel durch den Dialog mit Anders- und Nichtgläubigen. Herbert war ein Mann des Dialogs, wie sehr, das merkte jeder, der mit ihm verreiste und noch im abgelegensten Bergdorf bei Bekannten von Herbert unterkam. Menschen kennenlernen, zuhören, Rat geben – wohl wegen dieser Fähigkeiten und seinem starken Glauben fühlte er sich berufen, Priester zu werden. Er studierte Theologie in einem Stift bei Wien, was dort ohne Abitur möglich war. Anschließend besuchte er das Priesterseminar in Berlin. Manchmal, wenn die Priesterschüler in einer Reihe vor dem Altar knieten und beteten, konnten sie aus den Augenwinkeln erst ein leichtes Beben vernehmen, dann ein stärker werdendes Zucken, bis der Lachanfall laut aus Herbert herausbrach. So etwas konnte durch alttestamentarische, blutrünstige Psalme ausgelöst werden. Ihm gefielen einfache Glaubenssätze besser. Nach seiner Priesterweihe 1994 wählte er „Die Freude am Herrn ist eure Stärke“ zu seinem Leitspruch.

Herberts wichtigste Station als Priester war Zinnowitz, wo er aus einem maroden DDR-Kinderkurheim ein modernes Haus machte, in dem Jugendgruppen ihre Ferien verbringen. Dass er als Jugendlicher Franz Josef Strauß zugejubelt hatte, hielt ihn nicht davon ab, mit PDS-Politikern über das Geld für den Umbau zu verhandeln. Später, als Pfarrer zweier Gemeinden in Wedding, war sein Kontakt zur SPD sehr eng.

Als er erfuhr, dass er Krebs hatte, war sein Verhältnis zu Gott zunächst getrübt: „Es herrscht Funkstille.“ Doch war er wie immer um Ausgleich bemüht: „Da hilft kein Klagen, wir beten ja täglich ,Dein Wille geschehe‘.“ Viereinhalb Monate blieben ihm, in denen er viel Besuch bekam. Auch die Jugendlichen waren darunter, mit denen er vor Jahren als Kaplan in Stralsund gearbeitet hatte. In sein Grab legten sie zwei Paddel, als Erinnerung an die Reise im letzten Sommer, zu der sie Herbert eingeladen hatten. Candida Splett

Candida Splett

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