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Berlin: Hightech im Streifenwagen

Auf der Cebit sind auch mehr als 230 Berliner IT-Firmen vertreten. Ihr Geld verdienen die meisten aber außerhalb der Region

Der Funke sprang vor ziemlich genau einem Jahr über. Man muss sich das vielleicht so vorstellen, dass der Chef der Wetterstation Wetter-Direkt über die Cebit schlenderte und plötzlich das fand, wonach er lange gesucht hatte: Am Stand des Berliner Mobilfunkanbieter E-Message entdeckte er einen Funkrufempfänger, der zwar Wettervorhersagen empfangen, aber keine Daten messen konnte. Ein Jahr später präsentieren beide zusammen nun eine Wetterstation als „Weltneuheit“. Dem Funkrufempfänger haben sie einen Chip eingepflanzt, mit dem sie zusätzlich zu den gemessenen Wetterdaten mehrmals täglich die neueste Vorhersage abrufen können. Sein Benutzer kann sich also ständig über bevorstehende Wetterkapriolen informieren, ohne Internet oder Fernsehen einschalten zu müssen, erklärt Angelika Griebner von E-Message.

Das Berliner Unternehmen ist mit 60 Mitarbeitern schon eines der größeren Internet-(IT-)Firmen aus Berlin-Brandenburg, die auf der Cebit vertreten sind. Die meisten der 231 Aussteller aus der Region sind kleine oder mittelständige Unternehmen. Ulrich Otto von der Brancheninitiative „We make IT“ findet das nicht schlimm: „Es sind viele tolle Pflänzchen, die hier im Untergrund blühen“, sagte er. „Erst auf Messen wie der Cebit kriegt man dann mit, dass die mit hoch spezialisierten Lösungen sehr stark im Export tätig sind.“

Nur ein Drittel ihres Umsatzes machen die etwa 3700 IT-Unternehmen in der heimischen Region, hat der Verband für Software-, Informations- und Kommunikationsindustrie in Berlin und Brandenburg (SIBB) herausgefunden. Trotz schwacher Nachfrage in der Region berichten SIBB und Industrie- und Handelskammer daher von optimistischen Umsatzerwartungen der regionalen IT-Unternehmen. Das mag auch an dem neuen Flughafen BBI liegen. „Wir hoffen, dass sich durch den Bau des Flughafens Schönefeld viele Zulieferunternehmen hier ansiedeln, die dann alle IT-Dienstleistungen benötigen“, sagt Otto von der Brancheninitiative „We make IT“. Der Gemeinschaftsstand der Zukunftsagentur Brandenburg auf der Cebit werde bereits stärker nachgefragt.

Eines der Kompetenzfelder von „We make IT“ ist E-Government, also Software speziell für Politik und öffentliche Verwaltung. Auf solche Lösungen hat sich die Init AG aus Berlin spezialisiert, die ebenfalls auf der Cebit ausstellt. „Mit unserem Mehrheitsrechner kann man die Stimmverhältnisse in EU-Ratssitzungen nachspielen“, erklärt Maik Farthmann von Init. Das Programm, das kostenlos auf www.eu2007-wirtschaft.de erhältlich ist, gibt Auskunft darüber, wie das Entscheidungsverhalten einzelner Länder die Mehrheiten auf EU-Ratsebene beeinflusst.

Auf das Internet setzt auch die Brandenburger Polizei bei ihrer Ermittlungsarbeit. 2003 hat sie eine „Internetwache“ eingerichtet. „Mittlerweile werden dreieinhalb Prozent der Strafanzeigen online erstattet“, sagt Geerd Piorkowski vom Brandenburger Innenministerium. Auf der Cebit stellt die Polizei jetzt die Erweiterung „Ekobs“ vor: Der zuständige Ermittler kann jetzt per E-Mail weitere Informationen von den Beteiligten anfordern, und muss ihnen nicht mehr umständlich hinterhertelefonieren oder Briefe schicken. Auch auf der Straße sind die Ordnungshüter jetzt mit Hightech unterwegs. Am Cebit-Stand steht der neue Funkstreifenwagen, der mit Kameras, Computer und Faxgerät ausgestattet ist.

Ein Vorteil des IT-Standorts Berlin-Brandenburg, sagt Branchenexperte Otto, sei die hohe Anzahl von Universitäten und Forschungseinrichtungen, allein zwölf Institute stellen auf der Cebit aus. Der Kontakt zwischen Forschung und Industrie ist gut, so bekämpfen T-Systems, SAP und Netfox AG bereits gemeinsam mit der Fachhochschule Brandenburg den Fachkräftemangel: im Wintersemester ist ein neuer Masterstudiengang „Security Management“ angelaufen, der Informatikabsolventen weiterbildet. Lukas Will, Student an der FH Brandenburg, ist schon weiter, seine Erfindung IDAPS wird er auf der Cebit vorstellen. „Die meisten Firmen schützen ihre Netzwerke nur gegen Angriffe aus dem Internet, mittlerweile kommen aber die meisten Attacken aus dem eigenen Netzwerk“, sagt er. Vor solchen Angriffen will IDAPS schützen.

Zwei weitere Berliner Firmen haben sich mit Kombiprodukten auf den Weg nach Hannover gemacht. Die Multimediaoberfläche My-Goya von Magix fasst Kalender, Adressbuch, Musikdateien und Fotos zusammen, der Nutzer kann darauf von jedem Internetcafé zugreifen. Und die Berliner AVM präsentiert die neue Fritzbox: Basisstation für Funktelefone, DSL-Router und kabellose Musikübertragung sind nur einige der Funktionen. Die Box kann mehrere Geräte ersetzen und so Strom sparen – und damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Die Region ist für die IT-Branche auch deshalb attraktiv, weil sie so billig ist. Šenaj Lelic ist im vergangenen Jahr mit seiner Firma Dataassist aus München nach Berlin gezogen. „Hier sind sie Fixkosten viel geringer“, sagt Lelic, der jetzt mit acht Mitarbeitern in der Berliner Brunnenstraße residiert. „Als IT-Firma ist es ziemlich egal, wo man seinen Firmensitz hat, weil man sowieso dauernd unterwegs ist“, sagt der Dienstleister für Dokumentation von IT-Infrastruktur, „zur Cebit sind es jetzt nur noch zwei Stunden.“

Frieder Bechtel

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