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Berlin: Hinter Gittern

Seit auch Fußgänger als Sicherheitsrisiko gelten, ist das Ideal des offenen Regierungsviertels passé

So hatten sich die Hauptstadt-Planer das vor zehn Jahren vorgestellt: freier Zugang zu den Botschaften und ein Bundestag, der seine Offenheit und Transparenz beweist, in dem er weitgehend auf Sicherheits-Barrieren verzichtet. Die Realität sieht heute anders aus und ist dominiert von den Farben rot und weiß: Absperrgitter blockieren die Wilhelmstraße vor der Britischen Botschaft, bei den Amerikanern sowieso und zur Sitzungswoche des Bundestages auch den Ebertplatz hinter dem Reichstag.

An einen „Belagerungszustand“ fühlt sich die Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau, erinnert. Abhilfe kann sie aber nicht versprechen und Fehler bei der Stadtplanung, die sie schon damals mitgestaltete, auch nicht erkennen: „Ich stehe dazu: es war und es ist sinnvoll, eine Regierung in die Stadtmitte zu setzen“.

Mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt: Von der offenen Stadt, die damals das Ideal war, ist heute nicht viel übrig. „Die Situation hat damals niemand vorhersehen können“, sagt Dubrau. Und Petra Reetz, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, sekundiert: „Die Botschaften sind auf ihre alten Grundstücke zurückgekehrt. Die Sicherheitsbedenken von heute hatten die Botschaften damals noch nicht.“ Auch die Botschaften sind nicht glücklich über die Situation. Beispiel Großbritannien: „Wir wollen nach wie vor ein offenes Haus sein und die Sperrung der Wilhelmstraße geschieht nicht auf unseren Wunsch“, sagt Christiane Goedelt, Sprecherin der Botschaft. Anders ist aber offenbar die Sicherheit nicht zu gewährleisten. Die rot-weißen Gitter erleichtern der Polizei die Arbeit: So lässt sich schnell ein Bereich absperren, der auch für Fußgänger unpassierbar gemacht werden soll.

Auch das ist neu. Bei der Planung des neuen Regierungsviertels sollten ausschließlich Autofahrer gehindert werden, bis vor die Gebäude durchzubrechen. Jetzt sollen auch Fußgänger abgehalten werden. Die damalige Bauministerin Irmgard Schwaetzer erinnert sich an langwierige Abstimmungsdiskussionen im gemeinsamen Ausschuss Bonn-Berlin. Da wurde zum Beispiel der exakte Standort jedes einzelnen Pollers rund um den Reichstag festgelegt. „Aber an diese hässlichen Gitter hat damals niemand gedacht“, erinnert sich Irmgard Schwaetzer, „und ich bezweifele, ob das überhaupt etwas bringt“.

Geändert hat sich die Einstellung zugunsten der Gitter, als im September 2000 ein Autofahrer bis vor die Stufen des Ostportals gefahren war. Seitdem blockieren zusätzliche Findlinge die Zufahrt und Gitter stehen in der Paul-Löbe-Allee. Aus Sicht von Schwaetzer keine gute Lösung. „Mit mehr Phantasie hätte man auch anders die Sicherheit garantieren können.“ Für die Ex-Bauministerin ist das Konzept des offenen Regierungsviertels deshalb noch nicht gescheitert: „Der freie Zugang ist wichtig, um die Akzeptanz der Demokratie in der Gesellschaft zu stärken.“ Und das gelte auch, wenn der freie Zugang, wie jetzt, behindert ist.

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