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"Hirschhof": Hofgericht in Prenzlauer Berg

Der Bezirk Pankow wollte ein Privatgrundstück zum Park machen. Anwohner klagten dagegen – mit Erfolg.

Von Maris Hubschmid

„Ich verstehe nicht, was hier passiert“, sagt Gisela Grosse kopfschüttelnd. Sie steht auf einem Gartengelände, das ihr gehört, vor einem kürzlich errichteten Gittertor, das sie nie bestellt hat. „Man kauft ein Grundstück, und dann wird von irgendwem daran herumgebaut.“ Sie seufzt. Gerecht sei das ja wohl nicht. Am Freitag entschied das Verwaltungsgericht Berlin zugunsten der 52-Jährigen, die eine der Klägerinnen im Prozess um die Nutzungsrechte am sogenannten „Hirschhof“ war. Demnach dürfen Mieter und Eigentümer ihre Hinterhof-Grünanlage im Dreieck der Häuser an der Oderberger Straße, der Eberswalder Straße und der Kastanienallee in Prenzlauer Berg für sich nutzen. Am Freitag Abend werden im Garten sicher einige Sektflaschen geöffnet worden sein.

Das Bezirksamt Pankow wollte auf einem nebenliegenden Grundstück eine Grünanlage errichten – und diese mit dem Hirschhof verbinden, für alle Bürger. Das Bezirksamt war der Meinung, dass es ein Recht auf öffentliche Nutzung des „Hirschhofes“ gebe. Es beruft sich auf das 1997 erlassene Grünanlagengesetz. Das Verwaltungsgericht entschied nun aber, dass der Hirschhof keine öffentliche Grünanlage ist. Zwar sei das Gelände in den behördlichen Unterlagen als ein Grundstück aufgeführt, dass zu DDR-Zeiten auf Veranlassung der Kommunalen Wohnungsverwaltung gärtnerisch gepflegt worden sei. Dies sei vermutlich jedoch vor dem Hintergrund erfolgt, dass Teile des Geländes in Volkseigentum standen, heißt es im Urteil. Das ehemals verwilderte Gelände war Anfang der 80er Jahre von damaligen Anwohnern zu einem Park mit Spielplatz umgestaltet worden. Die im Grundbuch eingetragenen Hauseigentümer können das Gelände nun für sich behalten.

Im Vorfeld der Verhandlung war das Gelände am Freitagmorgen von Richterin Helga Pannicke und beiden Prozessparteien besichtigt worden. Dabei protokollieren die Beteiligten die Beschaffenheit des Geländes genauestens: Sandkiste, Klettergerüst, Tischtennisplatte. Reste einer Art Amphitheater begrenzen das Gelände auf Seiten der Kastanienallee, jetzt also zu Recht. Seinen Namen verdankt der Hof einem Kunstobjekt aus Metall: „Unser Schrotthirsch“, sagt Frau Grosse.

„Zu DDR-Zeiten spielten die Eigentumsverhältnisse keine Rolle“, sagte Sabine Sieke aus der Rechtsabteilung des Bezirksamts am Freitagmorgen noch. Eine öffentliche Nutzung des grundstücksübergreifenden Parks sei deshalb juristisch nie abgesichert worden. Nach der Wende haben Anwohner mit den Wohnungen auch Gartenanteile erworben. Weil die Stadt die Fläche in ihrer momentanen Nutzung erhalten will, wollte sie das Teilgrundstück auf jeden Fall kaufen und großzügig sanieren. „Nur 15 Euro pro Quadratmeter hat die Stadt geboten“, sagte der Anwalt der Eigentümergemeinschaft, Frank Boermann.

Der Vertreter der Hausverwaltung, Stefan Sohlich, erklärte am Freitag: „Die Eigentümer haben viel Geld für das Grundstück bezahlt. Ihr Angebot, den öffentlich genutzten Teil zu pachten, hat das Bezirksamt abgelehnt – jetzt möchten sie nutzen, was ihnen gehört.“ „Einen von von uns aufgestellten Zaun hat das Bezirksamt kurzerhand abgerissen“, erzählt Gisela Grosse. Bisher wurde das durch sporadisch offen stehende Hausdurchgänge und Tore zugängliche Gelände von externen Besuchern vor allem in den Abendstunden genutzt. Deshalb, sagte Hausverwalter Sohlich, stelle die öffentliche Nutzung auch ein Sicherheitsrisiko dar. Doch jetzt ist klar: Der Hirschhof ist kein öffentliches Grün.

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