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Berlin: Hochschulen von neuem Sparplan geschockt

Sarrazin will die Etats dauerhaft um 200 Millionen Euro im Jahr senken. Die Präsidenten sind empört und befürchten dramatische Folgen

Als Stadt des Wissens wird Berlin in Regierungserklärungen gerne bezeichnet. Wie deren Zukunft aussieht, lässt sich jetzt ziemlich genau voraussagen: Die Hochschulen müssen sich darauf einstellen, schon bald dauerhaft mit 200 Millionen Euro weniger im Jahr auszukommen. Über entsprechende Vorstellungen von Finanzsenator Thilo Sarrazin hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nach Informationen des Tagesspiegels die Präsidenten der Berliner Universitäten unterrichtet. Eine politische Entscheidung sei damit aber noch nicht verbunden. Aus Sicht der Präsidenten würde das bedeuten, dass die Zahl der Studienplätze um weitere 17 000 auf nur noch 68 000 sinkt.

Die Hochschulverträge laufen Ende 2005 aus. Dann beginnt entweder eine vertragslose Zeit, oder die vier Unis und fünf staatlichen Fachhochschulen akzeptieren die neue Sparvorgabe von 200 Millionen Euro jährlich – das ist etwa die Summe, die allein die Humboldt-Universität zur Zeit als Staatszuschuss für alle Bereiche außer der Medizin erhält.

In der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2004 bis 2008 sind im Bereich des Wissenschafts- und Kultursenators 400 Millionen Euro an Einsparungen vorgesehen. Davon entfallen 100 Millionen auf die Kultur, 100 Millionen auf die Hochschulmedizin und 200 Millionen auf die Universitäten und Fachhochschulen.

Dies wäre der zweite große Einschnitt bei der Finanzierung der Hochschulen. Zwischen 1993 und 2003 waren hier bereits etwa 500 Millionen Euro abgezogen worden – dies entspricht etwa dem Staatszuschuss für die Technische Universität und die Freie Universität ohne Medizin. TU und FU verloren etwa die Hälfte ihrer Professoren. Die Humboldt-Universität musste ihren Professorenbestand um ein Viertel reduzieren.

Die erste Sparwelle hatte den Verlust von 30 000 Studienplätzen zur Folge. Der Wissenschaftsrat erklärte daraufhin: Sollten die verbliebenen 85 000 Studienplätze weiter verringert werden, werde Berlin sein Ziel, mehr wissensbasierte Arbeitsplätze zu schaffen, aus eigener Kraft nicht erreichen.

Wowereit erwartet, dass trotz weiterer Sparmaßnahmen 85 000 Studienplätze gehalten werden können. Das ist jedoch aus Sicht der Universitätspräsidenten unmöglich. Schon heute können mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nur noch 80 Prozent der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter besetzt werden. Zudem hat sich das Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden schon jetzt drastisch verschlechtert: 1997 kamen noch 54 Studierende auf einen Professor, heute sind es 93.

TU-Präsident Kurt Kutzler verweist darauf, dass seine Hochschule in den Fächern Maschinenbau und Verkehrswesen wegen des großen Andrangs doppelt bis dreimal so viele Studienanfänger aufgenommen hat, wie es ihrer Kapazität entspricht. Schon jetzt wisse die TU, dass sie unter diesen Bedingungen für so gut wie alle Fächer Zulassungsbeschränkungen einführen muss.

Unter solchen Bedingungen ist nach Ansicht der Präsidenten eine persönliche Betreuung der Studenten unmöglich. Lange Studienzeiten und hohe Abbrecherquoten wären die Folge. Eigentlich sollten gestufte Studiengänge mit dem Bachelor- und Masterabschluss dieser Entwicklung entgegenwirken. Doch für eine lange Übergangszeit, die bis 2010 dauern könnte, müssen die Hochschulen die alten Studiengänge mit dem Diplom- und Magisterabschluss parallel anbieten, was das Studium zusätzlich verteuert. Eine flächendeckende Umstellung auf Bachelor und Master wäre unter den neuen Bedingungen kaum möglich. FU-Präsident Peter Gaehtgens, TU-Präsident Kutzler und HU-Vizepräsident Hans Jürgen Prömel sehen jetzt auch die Studienreform in Gefahr.

Dazu kommt: FU und TU müssen zahlreiche Professuren neu besetzen, weil demnächst viele Hochschullehrer in den Ruhestand gehen. Für die damit verbundenen Neuanschaffungen hätten die Universitäten kein Geld mehr und wären für Bewerber weniger attraktiv. „Damit verlieren wir die Konkurrenzfähigkeit“, meint Kutzler. Für die Humboldt-Universität sagt Jürgen Prömel: „Jede Modernisierung in Lehre und Forschung ist unmöglich. Wir sind dann nicht mehr arbeitsfähig.“ Und Peter Gaehtgens meint: „Eine derartige Sparvorgabe zwingt die Freie Universität zum Einstellungsstopp und zum totalen Numerus clausus.“

In der Kuratoriumssitzung der FU hatte Staatssekretär Peer Pasternack vor kurzem erklärt, die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung gehörten zum drittstärksten Ausgabenposten im Etat. Seine Verwaltung wolle zwar unbedingt an den Hochschulverträgen als Instrument zur Steuerung von Leistung und Reformen festhalten. Aber er müsse zur Kenntnis nehmen, dass es heute, da der Finanznotstand festgestellt sei, unter den Senatoren auch andere Einstellungen zu den Hochschulverträgen gebe.

Ohnehin will der Senat den Hochschulen im Nachtragshaushalt 2002/2003 bereits 11,5 Millionen Euro abziehen. Das entspricht der Summe, die fällig geworden wäre, wenn die Berliner Hochschulen noch an die bundesweiten Tariferhöhungen gebunden wären. Der Senat hatte die Hochschulen aber aufgefordert, aus dem kommunalen Arbeitgeberverband auszutreten, um sich davon zu befreien. Bis auf die FHTW hatten dies alle Hochschulen getan. Allerdings stehen noch gar nicht fest, was bei den Tarifverhandlungen für Berlin herauskommt.

Uwe Schlicht

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