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Berlin: Höchststrafe für Mord auf Recyclinghof

Gericht verurteilt Sven H. zu lebenslanger Haft – und sieht eine besondere Schwere der Schuld

Das Verbrechen des Sven H. ist an Grauen kaum zu überbieten. Er hatte seine 26-jährige Kollegin Nicole J. geschlagen, gefesselt, geknebelt, gewürgt, zweimal vergewaltigt und rammte ihr am Ende ein Messer in den Rücken. Die Richter reagierten am Donnerstag mit aller Härte: lebenslange Haft. Zudem stellten sie die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Entlassung des Mörders nach 15 Jahren ausgeschlossen.

„Sven H. war und ist noch immer ein junger Mann voller Wut über sein Leben“, sagte Richter Ralf Fischer. Der 24-Jährige kommt aus schwierigen Verhältnissen. Er war von Entwicklung und körperlicher Statur eher ein Opfer-Typ. „Eine kleine Verletzung am Finger ließ seine angestaute Wut hervorbrechen“, hieß es im Urteil. Sven H., der bis dahin bei Killerspielen am Computer oft virtuell getötet hatte, schlich zum Damenumkleideraum. In seiner Hosentasche steckte ein 30 Zentimeter langes Messer. Er suchte ein Opfer. „Es muss einen Kick geben, jemanden in echt zu töten“, dachte er.

Müllsortiererin Nicole J. stand am 7. Januar gegen 22 Uhr vor ihrem Spind im Umkleideraum. Ihre Schicht auf dem Alba-Recyclinghof in Mahlsdorf war beendet. Zu Hause wartete ihr Freund. Sie wollten bald zusammenziehen, waren voller Hoffnungen und Träume. „Alles fand ein jähes Ende nach einem halbstündigen Martyrium“, sagte der Richter. Gabelstaplerfahrer H., der die Kollegin nur vom Sehen kannte, war nach dem kleinen Schnitt in den Finger auf hundertachtzig. Er griff von hinten an.

Er misshandelte sein Opfer. Er zog die Gefesselte in die Damentoilette. Er lief zurück zum Arbeitsplatz am Schredder, als er Stimmen hörte. Kurz danach stand er wieder vor Nicole J., die ihn voller Todesangst ansah. „Er wollte es auskosten, Macht spüren und genießen“, sagte der Ankläger im Plädoyer. „Seine Launen sind ihm wichtiger als das Leben eines anderen Menschen.“ Eine Spielsucht aber habe nicht vorgelegen.

Ein Psychiater hatte Sven H. als gefühlskalt eingeschätzt. Es handele sich um eine Persönlichkeit mit „dissozialen und schizoiden“ Zügen, Krankheitswert aber hätten diese nicht. Der Verteidiger argumentierte, Sven H. sei in einer von Alkoholismus und Gewalt bestimmten Umgebung aufgewachsen. Diese Lebensumstände und sein frühes Geständnis seien zu berücksichtigen.

Sven H., ein schmaler Mann mit bleichem Gesicht, ist zwar als Dieb vorbestraft, wegen Gewalttaten aber zuvor nicht aufgefallen. Wollte der Mann mit Faible für Killerspiele sehen, wie es ist, „in echt“ zu töten? Suchte er „einen Kick“? Oder musste Nicole J. sterben, weil er Wut auf sein Leben oder Hass auf den Stiefvater abreagieren wollte? Das Motiv sei nicht zu klären, hieß es im Urteil. Es hätte jeden treffen können. Das Gericht sah das Mordmerkmal „Heimtücke“ sowie das Merkmal „Mordlust oder aus sonst niedrigen Beweggründen“ für verwirklicht.

Nach der furchtbaren Tat suchte Sven H. nach einem Versteck für die Leiche. Er warf sie in einen Altmetall-Container und ging zurück zum Schredder. „Eiskalt“, meinten später die Kollegen. Äußerlich regungslos nahm er nun das Urteil auf. Ob er Rechtsmittel einlegt, ist offen.

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