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Berlin: Höhere Kitagebühren: Der heiße Zorn, der schnell erkaltet

Einige Kreisverbände der SPD wollen auf dem Parteitag Ende Oktober rebellieren, doch keiner glaubt an eine Mehrheit gegen den Senatsbeschluss

Es sieht aus wie der übliche Ärger zwischen Basis und Entscheidern in der SPD: Die Entscheider beschließen, dass Eltern mit gehobenen Einkommen mehr für die Kita-Plätze ihrer Kinder bezahlen müssen. Die Parlamentarier nicken. Und plötzlich widerspricht irgendwo in der großen Stadt Berlin die Basis. Erst wendet sich ein Kreisverband dagegen, dann sind es zwei – und keiner weiß, ob sich nicht plötzlich eine Basis zur Mehrheit gegen die eigenen Senatoren formiert.

Das Phänomen zeigt sich gern vor Landesparteitagen. So loderte im April der Streit um die Privatisierungsstrategie der Modernisierer in der SPD auf. Es schien, als rege sich kräftiger Protest gegen den Versuch des Landesvorstandes, die nicht gerade rechte Berliner SPD zum Rückzug von vielen staatlichen Aufgaben zu bringen. Das war kurz vor dem Landesparteitag im Mai, der wiederum kurz vor dem großen Zustimmungs-Parteitag der Bundes-SPD am 1. Juni stattfand. Gegen Strieder und die Modernisierer mobilisierten die Linken in der Berliner SPD – und verlangten nicht bloß einen weniger modernistischen und staatsfernen Leitantrag, sie mobilisierten auch gleich gegen Schröders Agenda 2010. Der heiße Zorn derer in der SPD, die den für alles zuständigen Staat wollen, erkaltete bei der Lektüre eines kompromissfähigen Leitantrags. Und gegen die Agenda 2010 waren ganze 14 von 400 Berliner Delegierten zum Bundesparteitag.

Dem Streit um die Kita-Gebühren sagen sogar die sozialdemokratischen Kritiker des Schulsenators rasche Erledigung auf dem Landesparteitag Ende Oktober voraus. Eine Mehrheit, die den Senat zwingt, die Gebührenerhöhung zurückzunehmen, ist allenfalls theoretisch denkbar: Nach Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf müssten auch noch andere mitgliederstarke Kreisverbände entsprechende Anträge stellen. Steglitz-Zehlendorf könnte dazu kommen, doch fehlen dann immer noch 42 Delegierten-Stimmen zur Mehrheit gegen die Kita-Gebühren. Dass ein weiterer mitgliederstarke Kreisverband gegen die Senatsentscheidung aufsteht, ist unwahrscheinlich. In Tempelhof, Neukölln oder Mitte sind die so genannten Besserverdienenden nicht in der SPD organisiert.

Mit einer Anti-Senats-Mehrheit rechnet nicht mal der Spandauer Kreisvorsitzende Swen Schulz. „Es läuft hier kein Machtkampf ab“, sagt er – der Landesparteitag habe im Streit um höhere Kita-Gebühren „eine sachliche Frage“ zu klären. Von Absprachen und Bündnissen unter den Gegnern der Gebührenerhöhung ist keine Rede. Die theoretische Mehrheit für die Rücknahme hängt ab von einer West-Mehrheit der Kreise, in denen die SPD noch auf den Ärger derer Rücksicht nimmt, die überdurchschnittlich viel verdienen. Der ein oder andere Sozialdemokrat macht sich durchaus Gedanken um SPD-Freunde, die gut oder besser verdienen. Schulz findet es problematisch, dass es „immer diese mittlere Schicht“ sei, „die zur Kasse gebeten wird“. Auch der Reinickendorfer Kreisvorsitzende Peter Senftleben bemerkt, die mittleren Einkommen würden „überproportional belastet“.

Aber Fraktionschef Michael Müller, zugleich Kreischef von Tempelhof-Schöneberg, erinnert an die Ausgangslage: Der Senat brauche Geld, um das umfangreiche Berliner Angebot zu erhalten; er wolle die Kosten beispielsweise für die Alleinerziehende niedrig halten. „Und wenn man das will“, sagt Müller, „ist klar was am anderen Ende der Tabelle passiert.“ Die Einsicht unterscheidet den Gebührenzorn, der sich jetzt artikuliert, vom Anti-Anti-Privatisierungs-Zorn vor dem Mai-Parteitag: Die SPD sieht in denen, die sich über höhere Kita-Gebühren ärgern, nicht ihre Klientel.

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