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Berlin: „Holen Sie sich mal was Kleines ab“

Stadtrat steckte Bewerberin die Prüfungsfragen zu. Heute ist sie Staatssekretärin – und er verurteilt

Für den ehemaligen Kulturstadtrat von FriedrichshainKreuzberg, Joachim Kohl, war es ein „bedauerliches Missgeschick“, das ihn gestern vor das Amtsgericht Tiergarten brachte. Krista Tebbe, inzwischen Staatssekretärin bei Kultursenator Thomas Flierl (PDS), sprach dagegen von einem „ungeheuerlichen Vorgang“.

Als sich Tebbe Anfang 2001 für den Posten der Kulturamtsleiterin bewarb, bekam sie von Kohl einen verschlossenen Umschlag. Darin fand sie später Kopien der vertraulichen Fragen für das bevorstehende Auswahlgespräch. Die Bewerberin wollte ehrlich bleiben. Sie zeigte den CDU-Politiker an. „Ich wollte mir nichts nachsagen lassen, die Bewerbung sollte so objektiv wie möglich ablaufen“, sagte sie.

Der 53-jährige Kohl sagte im Prozess um die vorsätzliche Verletzung eines Dienstgeheimnisses, er habe zwei nicht beschriftete Umschläge verwechselt und der damaligen Bewerberin deshalb einen falschen übergeben. Die Fragen seien auch noch nicht endgültig bestätigt gewesen.

„Den Vorwurf, dass ich Krista Tebbe protegieren wollte, weise ich entschieden zurück“, erklärte der Stadtrat, der mittlerweile im Ruhestand ist. Für ihn habe es eher Gründe gegeben, diese Bewerberin nicht mit der Position zu betrauen. Tebbe war damals Kulturamtsleiterin in Kreuzberg und hatte sich wie ihre Friedrichshainer Kollegin um den neu ausgeschriebenen Posten als Kulturamtsleiterin des Fusionsbezirks beworben.

Als Zeugin sagte die 53-Jährige, sie sei damals telefonisch von Kohl in sein Büro gebeten worden. „Holen Sie sich mal was Kleines ab“, habe der Stadtrat gesagt. Sie sei über den Inhalt des Umschlags sehr irritiert gewesen und habe schließlich Anzeige erstattet. Später habe Kohl noch gesagt: „Ich wollte, dass Sie es werden, ich habe so etwas noch nie getan.“

Das Auswahlverfahren wurde gestoppt und erst einige Monate später neu aufgenommen. Krista Tebbe setzte sich damals durch. Nun auch im Prozess. Das Gericht glaubte ihr und verurteilte Kohl zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 100 Euro. Das Motiv des Angeklagten sei im Dunkeln geblieben, sagte Richter Sascha Daue. Möglicherweise habe Kohl ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen wollen. Einen Beweis dafür gebe es aber nicht. K.G.

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