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Berlin: Holocaust-Plakat: Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Der Streit um die Spendenkampagne für das Holocaust-Mahnmal spitzt sich zu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen den "Förderkreis zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden" wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Von Frank Jansen

Der Streit um die Spendenkampagne für das Holocaust-Mahnmal spitzt sich zu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen den "Förderkreis zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden" wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Anlass ist die Aussage "den holocaust hat es nie gegeben". Der Satz ist, vor dem Hintergrund einer Berglandschaft, auf Plakaten, Postkarten und in Zeitungsanzeigen zu lesen. Das Verfahren wurde vor zwei Wochen eingeleitet, nachdem ein ehemaliger KZ-Häftling bei der Polizei eine Strafanzeige gestellt hatte. Der Mann empfindet den Satz als Bestätigung der Holocaust-Leugner. Die Vorsitzende des Förderkreises, Lea Rosh, bezeichnete den Vorwurf als "lächerlich".

Die Meinungen über die Textzeile mit Bergkulisse gehen weit auseinander. "Provokation befördert die Diskussion", meinte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, als am 19. Juli das "Mega Poster" am Gebäude der DG Bank am Pariser Platz vorgestellt wurde. "Wir stehen voll hinter dem Plakat", versicherte Alexander Brenner, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Harsche Kritik äußerten Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden - "falscher PR-Gag" - und der Theologe Richard Schröder, der im Tagesspiegel dem Förderkreis "abstrusen Wunderglauben" vorhielt. Geärgert hat sich die Interessengemeinschaft niedersächsischer Gedenkstätten: Durch die Werbekampagne werde "die seriöse Bildungs- und Erinnerungsarbeit der KZ-Gedenkstätten untergraben".

Der frühere KZ-Häftling wandte sich am 18. Juli an die Polizei, nach der Lektüre eines Zeitungsartikels über die Kampagne. Der in Berlin lebende Jude hatte mehrere Familienangehörige in Auschwitz verloren. Nach Ansicht des Mannes wird dem Slogan, "den holocaust hat es nie gegeben", nur ungenügend durch die in kleinen Buchstaben angefügte Erklärung widersprochen. Sie lautet: "Es gibt immer noch viele, die das behaupten. In 20 Jahren könnten es noch mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas." Die Erläuterung sei, vor allem auf dem Großplakat an der DG-Bank, bei flüchtigem Hinsehen kaum zu erkennen, meint der ehemalige KZ-Häftling. Das gelte zum Beispiel für die zahlreichen Fahrgäste der Busse, die hier täglich vorbeirollen. Die Insassen sähen nur den Slogan. Damit sei der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

Der Paragraf 130 im Strafgesetzbuch wurde Anfang der neunziger Jahre ergänzt, um die Ausbreitung der Parolen von Holocaust-Leugnern zu stoppen. So wird im Absatz 3 eine Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren jedem angedroht, der den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verübten Völkermord öffentlich "billigt, leugnet oder verharmlost". Dass der Paragraf auf die Spendenkampagne des Förderkreises angewandt werden muss, meint nicht nur der frühere KZ-Häftling. Der Staatsanwaltschaft liegen weitere Strafanzeigen vor. Außerdem hätten Anrufer ihre Empörung geäußert und sich erkundigt, ob die Textzeile strafbar ist, heißt es in der Behörde. Es sei auch geäußert worden, "so ein Satz ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen".

Für Lea Rosh ist der Fall klar. Strafanzeigen gegen den Förderkreis wegen des Verdachts auf Volksverhetzung seien "Wichtigtuerei" und "einfach lächerlich", sagte die Vorsitzende des "Förderkreises zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden". Für "überzogen" hält auch der stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Moishe Waks, das Vorgehen des ehemaligen KZ-Häftlings. Von Volksverhetzung könne keine Rede sein, "auch wenn ich persönlich der Ansicht bin, das Plakat ist vielleicht nicht ganz der glücklichste Weg". Die Kampagne bleibe umstritten, "das geht auch durch die jüdische Gemeinde", sagte Waks. Weniger kritisch äußerte sich Artur Süsskind, Vorsitzender der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde. "Man kann beim Betrachten des Plakats gemischte Gefühle haben", sagte Süsskind, "aber ich finde es gut". Den Vorwurf der Volksverhetzung bezeichnete er, wie Lea Rosh, als "lächerlich".

Nach Angaben von Rosh ist das Echo auf die Spendenkampagne "zu 60 Prozent positiv". Auf dem Konto des Förderkreises seien mehr als eine Million Mark eingegangen.

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