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Hund und Herr: Wilde Tiere treffen in Berlin

Helmut Schümann hat einen Hund und schreibt immer montags im Tagesspiegel über sein Leben als Welpenassistent in Berlin. Diesmal geht es um über den Umgang wilder Tiere untereinander.

Es gibt viele wilde Tiere in Berlin. Nicht nur Zweibeiner, auch Vierbeiner. Ob Wilmer dazu gehört, weiß der Welpenassistent nicht, der so langsam zum Junghund-Assistenten geworden ist – oder nach Ansicht Wilmers, wenn er sie denn äußern könnte, eher zum Wolf-Assistenten. Kürzlich ist Wilmer, als er den Assi zur letzten Runde am Abend durch Charlottenburg führte, einem Fuchs begegnet. Stocksteif stand Wilmer auf dem Walter-Benjamin- Platz, der Fuchs stand stocksteif etwa zehn Meter entfernt. „Wilmer, bleib hier“, sagte der Assi. Wilmer und Fuchs fokussierten sich. Starrten sich in die Augen. High noon kurz vor Mitternacht auf dem Benjamin-Platz. Keiner zog. Und der Assi wusste auch nicht, was zu tun war.

Finden wir in Berlin es eigentlich putzig oder dramatisch, dass das wilde Tier wieder Einzug nimmt ins urbane Gelände? Ist es nicht auch schön, dass die Natur sich das zubetonierte Gebiet zurückerobert und offensichtlich Gemeinschaft sucht mit den Zweibeinern und den Frieden mit denen, die sie vertrieben haben? Wilmer blieb. Der Fuchs auch. Der Platz ist groß genug für zwei Tiere, das ist vielleicht anders als im Saloon. Findet der Assi. Aber was finden die Tiere?

Ein paar Tage zuvor lief Wilmer mit seinem Assi durch den Grunewald. Freilaufgebiet. Wilmer hatte lange getobt, geschwommen, Stöcke apportiert, was Hund halt so macht. Der Assi hatte Stöcke geworfen, Wilmers Geschäfte im Beutel entsorgt, was Assis halt so machen. Es dämmerte schon. Fußgänger kamen den beiden entgegen. Die Fußgänger sagten, dass weiter oben am Wegesrand ein Rudel Wildschweine stehe. Wilmer hörte nicht richtig hin. „Pah, Wildschweine,“ wird er gedacht haben, wenn er denken könnte und es ausdrücken könnte, „Wildschwein bin ich selber am liebsten. Dann können wir uns gemeinsam suhlen.“

Was tun?

Der Assi hat schon mal Wildschweine gesehen. Sie machen sich breit in der Stadt. Manchmal schauen sie unfreundlich. Nicht so, als wären sie ansprechbar und auf ein gemeinschaftliches Miteinander aus. Das kennt der Assi auch von Zweibeinern in der Stadt.

Zurück zum Grunewald. Assi müde und erschöpft von Arbeit und Laufen am See. Wilmer müde und erschöpft von Toben und Schwimmen im See. Vor den beiden eine angekündigte, aber noch nicht sichtbare Rotte Wildschweine. Was tun?

Wilmer anleinen wäre die eine Möglichkeit gewesen. Aber das widerspricht der Natur im Freilaufgebiet. Außerdem: Wer leint dann die Wildschweine an?

Wie man Wildscheine vertreibt

Der Assi hat gelesen, dass Lärm Wildschweine vertreibt. Erst stapfte er heftiger auf den Boden. Aber das reichte wohl nicht. Dann fing er an zu schreien: „Wildschwein, verpiss dich, keiner vermisst dich!“ Wilmer setzte sich hin, schaute den Assi an, und wenn er könnte, hätte er wohl gefragt, ob er den Assi jetzt doch lieber stationär einliefern solle. „Wildschwein, verpiss dich, keiner vermisst dich“, schrie der Assi weiter. Tja, Wilmer, die Taktik war erfolgreich. Bis zum Auto war dann kein Wildschwein mehr zu sehen. Da macht sich der Assi doch gerne zum Horst.

Was den Fuchs auf dem Walter-Benjamin-Platz angeht: Wilmer und der Fuchs haben sich noch eine Weile angestarrt. Dann trollte sich der Fuchs. Und Wilmer behauptete danach, wenn er es denn könnte, dass er ihn vertrieben habe. Wilde Tiere unter sich.

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