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Berlin: „Ich hab’ geschossen bis das Magazin leer war“

57-Jähriger steht wegen Totschlags vor Gericht. Er lag mit seinem Cousin seit Jahren im Streit

Die Cousins lebten nur sieben Etagen voneinander entfernt. Die familiäre Verbundenheit aber war längst zerstört. Zwischen Bernd J. und Reinhard K. hatte sich erst eine tiefe Abneigung, später Hass entwickelt. Dennoch wollte keiner aus jenem Hochhaus in Lichtenrade ausziehen – bis Bernd J. zur Waffe griff. „Ich hab’ geschossen bis das Magazin leer war“, gesteht er am Dienstag vor dem Landgericht, wo er sich wegen Totschlags verantworten muss.

Bernd J. ist 57 Jahre alt. Der gelernte Starkstromelektriker lebt allein in einer Einzimmerwohnung. Seit zwei Jahren weiß er, dass er an Krebs leidet. Im letzten Herbst wurde er operiert. Auch Reinhard K., der zwei Jahre ältere Cousin, hatte davon erfahren. „Lebt er noch?“, soll der Klempner gegenüber anderen Verwandten in dem Hochhaus gehöhnt haben. Bernd J. hatte den Kontakt zum Cousin bereits Ende 2005 abgebrochen. „Davor war das Verhältnis noch einigermaßen erträglich“, sagt er. Doch immer öfter habe K. dann gemeine Bemerkungen fallen gelassen, ihm Prügel angedroht und provozierend an seiner Wohnungstür gekratzt. Was den Streit vor Jahren ausgelöst hatte, weiß vermutlich niemand mehr so genau.

Am 14. April letzten Jahres schien die Sonne über Lichtenrade. Ein guter Tag, um sich mit dem Gewächshaus zu befassen, dachte Bernd J. Beim Werkeln trank er Bier, gegen 18 Uhr wollte er Nachschub holen. Im nahen Supermarkt an der John-Locke-Straße traf er seinen Cousin, der dort mit Kumpels herumstand. Er wollte ihn eigentlich nicht beachten, sagt der Angeklagte, doch der Vorsatz aber hielt nicht lange. Zwischen den Streithähnen ging es schwer zur Sache. „Ich wünsch’ dir noch einen schönen Tod“, soll Reinhard K. gespottet haben. Bernd J. zückte ein Messer. Es sei klein gewesen, erklärt er den Richtern und: „Vor kleinen Messern hat er Angst.“

Erst einmal sah es so aus, als wenn der Streit vorbei wäre. Reinhard K. blieb auf Abstand, Bernd J. ging zurück nach Hause. Doch weil sich der Verspottete noch nicht „auf Augenhöhe“ fühlte, griff er in seiner Wohnung zur Pistole; sie lag seit Jahren in seiner Küche. Zurück vorm Supermarkt rief er seinem Cousin dann „Gas-Wasser-Scheiße!“ entgegen, um ihn zu provozieren, dann sagte er: „Ich will dir was zeigen!“ Als Bernd J. als Antwort von seinem Kontrahenten einen Kinnhaken verpasst bekam und „seine Hände auf meine Gurgel zukamen", habe er Panik bekommen – und aus Angst geschossen.

Er schoss so lange, bis das Magazin leer war. Fünf Kugeln trafen Reinhard K., zwei davon in den Kopf. Dann trat Bernd J. auf den Sterbenden ein. „Du wirst hier nicht mehr leben, du wirst hier nicht mehr aufstehen!“, soll er dabei gebrüllt haben. Sein Verteidiger sprach von einer „hochgradigen Affekttat“. Es dauert zwei Stunden bis der Angeklagte Worte der Reue findet. „Die Tat ist schlimm. Ich habe einen Menschen umgebracht.“ Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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