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Ich habe verstanden: Matthias Kalle versucht die Ereignisse der Woche zu begreifen

Das Leben scheint komplizierter zu werden in diesem Jahr und am schlimmsten hat es eine Bevölkerungsgruppe getroffen, von der man jetzt auch nicht gedacht hätte, dass die mal Grund zum Jammern bekämen.

Aber wie hart müssen diese Tage sein für Berliner Eltern, deren Kinder sich noch im Kinderwagenalter befinden, die kein Auto haben und auch kein Bargeld in der Tasche, dafür aber eine EC-Karte. Wenn diese Eltern in diesen Tagen auch noch in die USA fliegen würden - man könnte sich keine größere Tragödie vorstellen.

Eine EU-Richtlinie verbietet also die Benutzung von Rolltreppen mit Kinderwägen. Die Berliner S-Bahn befindet sich zurzeit in einem Zustand, bei dem man nicht weiß, ob man noch von ihrer Existenz ausgehen kann, oder ob sie nicht vielleicht schon ein Berliner Mythos geworden ist. Und während der Wechsel vom Jahre 1999 auf das Jahr 2000 technisch gesehen ziemlich reibungslos verlief, verweigern sich Chipkarten dem Jahr 2010: mit vielen EC-Karten ist kein Geld an den Geldautomaten zu bekommen, und auch einige Versichertenkarten funktionieren in Arztpraxen nicht mehr - sie verweisen auf das Jahr 1910, das könnte bei Abrechnungen für Verblüffungen sorgen. Während diese eigentlich ziemlich alten technischen Errungenschaften den Geist aufgeben, wird über eine neue technische Errungenschaft diskutiert, nämlich über den Nacktscanner, der jetzt schon in die engere Auswahl zum Wort des Jahres aufgenommen werden kann.

Ob die Einführung von Nacktscannern mehr Sicherheit bringt, ist mir völlig egal. Bin mir nicht sicher. Glaube, eher nicht. Vor einem Jahr dachte ich, dass Barack Obama mehr Sicherheit bringen könnte, aber der nahm jetzt die Verantwortung für die Geschehnisse des 1. Weihnachtstages auf sich, als ein Terrorist versuchte, ein Flugzeug im Landeanflug auf Detroit in den Luft zu jagen. Obama sprach von einem "Systemversagen", nachdem er sich tagelang über "die Chefs der Geheimdienste" aufgeregt hat. "Die Chefs der Geheimdienste" bekamen dadurch einen ähnlichen Stellenwert wie "die in Brüssel" (die sich seltsame EU-Richtlinien ausdenken), "die Bahn" (die für alles verantwortlich ist, was sich nicht bewegt) und "die Banker" (die ja im Prinzip Schuld daran sind, dass man jetzt mit seiner EC-Karte kein Geld mehr abholen kann).

Wahrscheinlich ist doch, dass alles, was in den letzten - sagen wir zehn Tagen - so schief gelaufen ist, eben nicht auf "Systemversagen" oder "technisches Versagen" zurück zu führen ist, sondern auf menschliches Versagen. Das ist das, was es früher mal gab. In Zeiten, wo sich einer hingestellt hat, und gesagt hat: "Da hab ich jetzt mal wirklich riesengroße Scheiße gebaut - und das tut mir auch wirklich leid. Ich kann nur versprechen, dass ich versuche, es ab sofort besser zu machen, den Fehler zu finden, und dann dafür zu sorgen, dass so eine Katastrophe nicht mehr passiert." Könnte ich mit leben, wenn das wieder eingeführt werden würde.

Den Anfang könnte am Wochenende zum Beispiel Angela Merkel machen. Denn das, was in der Koalition gerade los ist, hat ja nun auch nichts mit "Systemversagen" zu tun. Merkel also, immerhin (man vergisst das ja so schnell) Chefin dieser Koalition, könnte sagen: "Tja, das hab ich mir vor vier Monaten auch anders vorgestellt - mein Fehler. Ich hätte wirklich ahnen können, dass das mit der FDP nichts wird, und dass die CSU langsam durchdreht - und dass diese ganzen Sache, die wir versprochen haben, unmöglich umzusetzen sind." Merkel wird das nicht machen, denn Merkel führt etwas weiter, was Helmut Kohl erfunden hat, nämlich das Warten darauf, dass sich alle um einen herum selbst zerstören. Das System Kohl. Dieses System scheint leider nicht zu versagen.

Am Montag stand in der Zeitung, dass die Rolling Stones Ron Wood mit Rausschmiss drohen, falls der sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekommen würde. Wenn er nicht vom Trinken lasse, so war zu lesen, dann dürfe er nicht mit auf Welttournee - und da dachte man ja immer, dass für die Rolling Stones eine Welttournee die gleiche Bedeutung hat, wie für den Deutschen Vater der Vatertag, nämlich solange saufen, bis man nur noch im Bollerwagen nach Hause gekarrt werden kann.

Ein klassischer Fall von menschlichem Versagen auf ganzer Linie. Ach, es könnte so einfach sein.

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