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Berlin: "Ich stach zu, die anderen traten" - Die Angeklagten haben einen 38-jährigen Mann beraubt und getötet

Eine Tätowierung schimmert durch die kurzen, dunkelbraunen Haare auf Michaels Kopf. Der 23-Jährige stützt sich auf das Geländer vor der Anklagebank und sieht hinüber zum Zeugenstand.

Eine Tätowierung schimmert durch die kurzen, dunkelbraunen Haare auf Michaels Kopf. Der 23-Jährige stützt sich auf das Geländer vor der Anklagebank und sieht hinüber zum Zeugenstand. Dort sitzt Carsten, 18 Jahre alt, der dem Opfer mit einem Küchenmesser in den Hals gestochen hat. Carsten spricht ganz leise. "Ich habe zugestochen. Es war wie im Traum, ich habe erst in der Zelle mitgekriegt, was passiert war", sagt er und streicht sich nervös über den linken Ärmel seines blütenweißen Hemdes. Über seinen Handrücken läuft eine Narbe, die Spur eines martialischen Rituals: Um von der Lichtenberger Skindhead-Bande "Hammer-Skins" aufgenommen zu werden, musste sich Carsten mit einem Messer die Hand ritzen und einen Treueschwur leisten.

Vor sich sieht Carsten den Staatsanwalt und die Richter der 24. Großen Strafkammer. Hinten sitzen die Mitangeklagten mit ihren Verteidigern, zwei Gerichtspsychiater, viele Journalisten und eine ganze Menge Zuhörer. Vor der Tür des Saals 501 im Kriminalgericht Moabit warten mehrere Kamerateams auf die Chance, Verwandte der Angeklagten, Strafverteidiger oder den Staatsanwalt zu filmen. Bilder von den vier Mitgliedern der Skinhead-Bande "Hammer-Skins" gibt es nicht. Im Saal darf nicht gefilmt werden, selbst wenn die Anklage auf Mord und Raub lautet.

Dienstag im Gericht. Bei dem Prozessauftakt in Saal 501 geht es um die letzten Stunden im Leben des Sozialhilfeempfängers Kurt Sch. "Michael ist auf die Idee gekommen, dass wir den abziehen könnten", sagt Carsten und präsentiert seine Version von den Ereignissen am 6. Oktober 1999. Danach trafen sich die vier Skinheads am Nachmittag des Herbsttages in einer Lichtenberger Wohnung, tranken zusammen Bier und schmiedeten Pläne. Sie zogen schließlich zu einem von Punks besetzten Haus in der Samariterstraße in Friedrichshain, nach Carstens Worten stand eine "verbale, später möglicherweise körperliche Auseinandersetzung mit den Linksextremen" auf dem Wunschzettel der "Hammer-Skins". Doch die Punks ließen sich nicht provozieren und blieben in ihren vier Wänden. Darauf reagierten sich die Skins anderweitig ab. Einem Radfahrer entwendeten sie den Rucksack und ein Mann an einem Dönerstand bekam eine Bierflasche an den Kopf. So ging es, bis die vier an einer Tankstelle auf ihr Opfer trafen. Kurt Sch. soll etwas wie "Kameraden" gemurmelt haben, als er die jungen Männer mit den stahlkappenbewehrten Springerstiefeln und den Bomberjacken sah.

Noch an der Tankstelle drückte einer der Angeklagten dem Opfer eine Portion Ketchup ins Gesicht. Man entschuldigte sich und lud Kurt Sch. zum Schein zu ein paar Bier nach Hause ein. "Bitte tut mir nichts", soll das Opfer gesagt haben. In einer Grünanlage an der Rudolf-Reusch-Straße, ganz in der Nähe des Rathauses Lichtenberg in der Möllendorffstraße, geschah das Unfassbare: Carsten brachte den 38-Jährigen mit einem Judowurf zu Fall und nahm ihn in einen Würgegriff, während die Komplizen dem Opfer die Taschen ausleerten. Nach dem Raub traten die jungen Männer auf den Liegenden ein, ließen ihn bewusstlos liegen und kehrten zum Biertrinken in die Wohnung zurück. Dort beschlossen sie "nach einem langen Disput", das Opfer zu töten. Auf getrennten Wegen rannten sie zur Grünanlage und näherten sich von zwei Seiten.

"Ich stach zu, die anderen traten", sagt Carsten, der die Tatwaffe später abgewaschen und in die Küche gelegt hat. Vergeblich. Die Polizei setzte Spürhunde ein, die die Fährte von den Blutspuren am Tatort bis zur Wohnung verfolgten. Dort wurden die Skinheads noch am Abend festgenommen. Sollte sich der Mordvorwurf bestätigen, drohen ihnen lebenslange Freiheitsstrafen. Der Prozess wird am 28. März fortgesetzt.

brun

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