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Berlin: „Ich verstehe etwas vom Islam“

Nach 100 Tagen als CDU-Spitzenkandidat zieht Friedbert Pflüger eine erste Bilanz: Schlechte Umfrageergebnisse wertet er als „Zufall“

Herr Pflüger, warum sollten die Berliner Klaus Wowereit abwählen?

Die Stadt hat ein enormes Potenzial. Rot-Rot ist nicht in der Lage, dieses Potenzial zu nutzen. Wir liegen mit 18 Prozent bei der Arbeitslosigkeit weit höher als der Bundesdurchschnitt – und weit höher, als wir sein müssten. Wichtige Unternehmensansiedlungen sind an Berlin vorbei- gegangen. Von den Schulen bekommen wir jeden Tag neue Hiobsbotschaften. Die Integrationspolitik ist gescheitert.

Die Popularität von Klaus Wowereit ist ungebrochen hoch. Wie erklären Sie sich das?

Ich habe Herrn Wowereit als netten Menschen kennen gelernt. Er ist immer unterwegs, wenn es Preise zu verleihen gibt, und immer dort, wo es gute Nachrichten gibt. Aber wenn Probleme auftauchen, wie zum Beispiel an der Rütli-Schule, taucht er weg. Er repräsentiert, aber er regiert nicht.

Die Wähler billigen Wowereit trotzdem hohe Kompetenz zu.

Das ist der Vorteil des Amtsinhabers. Wir sind aber noch nicht im Wahlkampf. Wer glaubt, dass jetzt dramatische Wählerbewegungen zu erwarten seien, täuscht sich.

In den Umfragen ist die CDU mit Ihnen auf 26 Prozent gestiegen, dann auf 23 Prozent gefallen. Warum?

Jeder Experte sagt: Zwei, drei Prozent mehr oder weniger sind Zufall. Offenkundig ist die Berliner CDU aus ihrem Tal von 19 Prozent heraus, sie ist geschlossen und motiviert.

Ihre Omnipräsenz und Ihr Fleiß haben Sie bekannter gemacht, doch Ihr Profil wirkt unscharf. Wie wollen Sie das ändern?

Ich bin seit gut 100 Tagen Spitzenkandidat. In dieser Zeit wollte ich vor allem zuhören, Menschen kennen lernen. Jetzt kommen die zweiten 100 Tage. Da werden wir Schwerpunkte setzen bei Arbeit, Schule, innerer Sicherheit, Integration.

Was ist mit der Haushaltspolitik?

60 Milliarden Euro Schulden bei einem Etat von 20 Milliarden sind eine Bürde, die kein anderes Bundesland zu tragen hat. Der Schuldenberg ist vor allem durch die Streichung der Berlin-Förderung und Berlin-Hilfen entstanden. Konsolidieren, sparen – das ist richtig. Aber wir werden diese Schulden nicht durch eine noch so harte Sparpolitik los. Es geht nicht ohne die Hilfe von Bund und Ländern.

Also ist die Klage in Karlsruhe richtig?

Ich habe die Klage immer unterstützt. Doch wird die Bereitschaft in Bund und Ländern, uns zu helfen, relativ gering sein. Deshalb kommt es darauf an, das Gefühl zu stärken, dass Bund und Länder etwas für die Hauptstadt tun müssen. Berlin muss als Hauptstadt in Deutschland wirklich angenommen werden. Das kann Rot-Rot nicht schaffen.

Sie glauben, dass die konservativen Ministerpräsidenten in den wohlhabenderen Bundesländern dazu eher bereit sind als SPD-Politiker?

Wir brauchen einen Hauptstadt-Pakt. Ich werde durch mein Amt in der Bundesregierung und durch meine Beziehungen zu fast allen CDU-Ministerpräsidenten auch nicht erreichen, dass alle plötzlich ihre Taschen öffnen. Aber ich habe größere Chancen als der rot-rote Senat, Berlin wieder als Hauptstadt aller Deutschen zu positionieren – für die auch alle Deutschen Mitverantwortung tragen.

Hätten Sie dann nicht auch nach Karlsruhe fahren müssen, als dort die Berliner Klage verhandelt wurde?

Die Fraktion hatte einen Fachmann entsandt. Meiner Meinung nach war es falsch, dass Wowereit nicht im Vorfeld ein Allparteienbündnis geschaffen hat. Er hätte sagen müssen: Lasst uns zusammen unseren Fall erläutern. Das ist doch eine der ganz wenigen Fragen, in denen alle Berliner Parteien an einem Strang ziehen.

Immerhin hat die rot-rote Politik dazu geführt, dass wir in den kommenden vier Jahren das Primärdefizit abgebaut und – abgesehen von der Verschuldung – einen ausgeglichenen Haushalt haben werden.

Die enormen Zinsen für den Schuldenberg aber bleiben. Also brauchen wir die Solidarität der anderen Bundesländer – und die wird Wowereit nicht schaffen.

Auch die Berliner CDU hat die Jahre der Opposition nicht dazu genutzt, um neu nachzudenken. Das bekommen Sie zu spüren: Es liegen nicht serienweise gute Konzepte vor. Wie wollen Sie da Konturen gewinnen, wenn sich die Berliner CDU etwa in Sachen Wohnungsbaugesellschaften einig mit der SPD ist?

In Stichworten: Hauptstadtpakt. Bestandspflege der mittelständischen Wirtschaft, Offenhaltung des Flughafens Tempelhof, aktive Investorenwerbung draußen, Konzepte für Private Public Partnership, Bürokratieabbau. Keine Einheitsschule, Unterrichtsgarantie, keine Viertelparität an Hochschulen. Null Toleranz bei der Kriminalität wie in New York. Ich finde nicht, dass die Berliner CDU nicht inhaltlich gearbeitet hat. Sie hatte eine schwere Phase. Jetzt ist die CDU wieder da.

Müssen Sie dann nicht sagen: Mir ist diese CDU so wichtig, dass ich direkt Verantwortung übernehmen will, etwa als Landesvorsitzender?

Dazu bin ich bereit. Nach der Wahl. Jetzt aber geht es darum: Wer wird Regierender Bürgermeister?

Trotzdem kann man – Stichwort Pankower Moschee – den Eindruck haben, dass in Ihrer Partei manche die Bezirksinteressen wichtiger nehmen als die Interessen des Landesverbandes – und Sie entsprechend beraten. Stehen Sie zu der Aussage: Hier gibt es eine kleine Pankower Bürgerinitiative – die sich vielleicht in ein Vorurteil verrannt hat – die Sie aber unterstützen gegen eine religiöse Gruppierung, der man vielleicht mal eine Chance geben sollte?

Ich war einer der ersten in der CDU-Fraktion, der ein neues Staatsbürgerschaftsrecht gefordert hat. Ich verstehe etwas vom Islam. Was mich geärgert hat, war: Der Gegner hat versucht, mich in eine Ecke zu stellen, in die ich nicht gehöre.

Aber Sie haben sich doch gleich festgelegt.

Ich habe mich auf Folgendes festgelegt: Religionsfreiheit gilt. Rechtsstaatlichkeit gilt – einschließlich des Baurechts. Aber das Recht gilt auch für besorgte Bürger, die ein Bürgerbegehren auf der Grundlage der Bezirksverfassung möchten. Wenn man ihnen dieses Recht nicht gibt und den Eindruck vermittelt, sie werden mit ihren Ängsten nicht ernst genommen, dann haben Rechtsradikale leichtes Spiel.

Müssten Sie sich nicht als jemand, der Regierender Bürgermeister werden will, über solch einen bezirklichen Konflikt stellen und sagen: Wir verstehen Eure Sorgen, aber ich möchte vermitteln.

Ich glaube, ich habe dort zur Beruhigung beigetragen. Wer als Spitzenkandidat der CDU antritt, kann keinen Bogen um die Probleme der Leute machen. Ich habe gleich zu Beginn meiner Kandidatur gesagt: Wir müssen weg von der Trennung zwischen Deutschen und Ausländern. Entscheidend ist: die Anständigen, gleich welcher Herkunft, die auf der Basis des Rechts zusammenleben wollen – gegen die Kriminellen, die Drogenhändler, Extremisten, Gewalttäter.

Dennoch, Sie werden missverstanden: Pater Klaus Mertes hat der CDU wegen des Umgangs mit der Familie Aydin abgesprochen, das „C“ in ihrem Namen zu Recht zu tragen.

Die Ausweisung hat Herr Körting verfügt. Aber das „C“ ist ein hoher Anspruch an uns selbst. Ideale müssen sich im Alltag bewähren. Ich bin Verantwortungs-, nicht Gesinnungsethiker. Ich glaube, dass es mir noch gelingen wird, Pater Mertes davon zu überzeugen, dass die CDU das „C“ noch zu Recht in ihrem Namen trägt.

Fühlen Sie sich denn überhaupt fair behandelt, wenn der CDU als Oppositionspartei vorgehalten wird, sie stehe zu wenig für christliche Werte ein? Es ging kein Aufschrei der Empörung durch die Stadt, als die rot-rote Koalition den Ethik-Unterricht beschlossen hat, was dazu führen wird, dass Religionsunterricht nur noch am späten Nachmittag stattfindet …

… und kaum mehr ein Schüler daran teilnehmen wird. Das ist ein Skandal. Wenn ich gewählt werde, werden wir sofort ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion wieder einführen. Zur Religionsfreiheit gehört auch das Recht zur Religion.

Mit Friedbert Pflüger (CDU) sprachen Werner van Bebber und Lars von Törne.

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