zum Hauptinhalt

"Idomeneo"-Absetzung: Kritik an Körting und Harms wächst

Innensenator Körting und die Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Harms, geraten nach der Absetzung des "Idomeneo" aus Angst vor Protesten immer stärker in Bedrängnis. Auch Dirigent und Regisseur der Oper sind gegen die Streichung.

Berlin - Nach Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" an der Deutschen Oper Berlin aus Angst vor islamistischen Anschlägen haben Kulturschaffende und Politiker den Sicherheitsbehörden Untätigkeit vorgeworfen. In der Kritik steht auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Derweil gehen die Angriffe gegen Opern-Intendantin Kirsten Harms unvermindert weiter. Der Berufsverband bildender Künstler (BBK) fordert ihren Rücktritt.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warf Körting Fehlverhalten vor und monierte, er habe Harms die Entscheidung allein überlassen und nicht mit ihr gemeinsam beraten, als er von dem Bericht des Landeskriminalamts (LKA) erfuhr.

Bühnenverein kritisiert LKA

Der Deutsche Bühnenverein forderte das LKA auf, die Gefährdungsanalyse vollständig zu veröffentlichen. Wenn sich das LKA nicht in der Lage gesehen habe, das Risiko abzuschätzen, ließe das auf erhebliche Schwächen der Beurteilungskompetenz schließen. Sollte der Sicherheitshinweis herausgegeben worden sein, um im Falle eines Anschlages die Verantwortung auf die Deutsche Oper abwälzen zu können, wäre dies ein Skandal.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) bezeichnete die Absetzung der Oper als "indiskutabel". "Ich halte es für falsch, aus Angst vor Gewalt ein Stück abzusetzen", sagte er.

Körting: Keine konkrete Bedrohung

Körting bestritt indes, dass es eine konkrete Bedrohung gab. Das LKA sei aber verpflichtet, Gefährdungshinweisen nachzugehen. Er wies darauf hin, dass Harms eine sehr schwere Entscheidung zu treffen hatte, die er nicht beurteilen wolle. Unter Hinweis auf den Karikaturen-Streit fügte er hinzu, damals habe die Mehrzahl der Medien sich ebenfalls entschieden, die Karikaturen nicht zu drucken.

Der Berliner BBK-Vorsitzende Herbert Mondry forderte hingegen: "Frau Harms sollte ihren Stuhl räumen." Und Körting solle beherzigen, dass Aufgabe der Polizei "nicht die Einschränkung gesetzlicher garantierter Freiheiten, sondern ihr Schutz" sei.

Merkel: Streichung "nicht erträglich"

Bei der Deutschen Islamkonferenz sprach sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine Wiederaufnahme der Oper aus. Die Konferenzteilnehmer würden die Inszenierung gern gemeinsam besuchen, sagte Schäuble. Er fügte hinzu: "Mit der Kunstfreiheit ist es wie mit dem Folterverbot. Man darf gar nicht erst anfangen, mit den Augen zu zwinkern." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor die Streichung vom Spielplan als "nicht erträglich" kritisiert.

Links-Fraktionsvize Bodo Ramelow nannte die Aufregung von Mitgliedern der Bundesregierung indes "heuchlerisch". "Unerträglich ist, dass dieselben Politiker, die jetzt der Intendantin der Deutschen Oper zürnen, die Atmosphäre geschaffen haben, in der aus einer Gefährdungsanalyse eines LKA-Beamten die Absage einer Opern-Aufführung wird."

Dirigent und Regisseur gegen Absage

Regisseur Hans Neuenfels betonte: Wenn Harms den Eindruck gehabt habe, dass tatsächlich eine begründete Gefahr bestehe, dann hätte sie das öffentlich thematisieren müssen, "indem man das Stück nun erst recht zeigt und zur Diskussion stellt und nicht einfach klein beigibt". Der Dirigent der "Idomeneo"-Inszenierung, Lothar Zagrosek, sagte: "Das Theater darf nicht dem Fanatismus zum Opfer fallen".

Renate Wegener, Ticketverkäuferin an der Deutschen Oper, sprach von einem "zweischneidigen Schwert". Hätte die Intendantin nichts getan und es wäre etwas passiert, hätte man ihr auch Ärger gemacht, sagte sie zur Entscheidung ihrer Chefin.

Die Intendantin hatte die Neuenfels-Inszenierung überraschend vom November-Spielplan genommen, weil "Störungen im Zusammenhang mit der Aufführung in ihrer geplanten Form nicht ausgeschlossen werden können". In Neuenfels' Schlussszene trägt Idomeneo die abgetrennten Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed auf die Bühne. (tso/ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false