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Berlin: Ihr Weihnachtsschmuck ist aus Berlin

Diana Kerry hängt heute noch den Engel an den Christbaum, den die Dahlemer Nachbarin für sie bastelte. Sie und ihr Bruder John, der US-Präsidentschaftskandidat, lebten als Kinder im Bachstelzenweg

Seit Monaten ist sie in Flugzeugen zu Hause, will die im Ausland lebenden Amerikaner an ihr Wahlrecht erinnern. Denn wenn Amerika heute den Präsidenten wählt, könnte es knapp zugehen. Da sollen die Auslandsstimmen den Ausschlag geben – gegen George W. Bush und für John Kerry. Das wünscht sich Diana Kerry, Schwester des demokratischen Kandidaten, und dafür tourte sie um die Welt. Auch nach Berlin führte ihre Reise. Zu der Stadt haben die Kerrys eine besondere Beziehung, wie Diana Kerry im Gespräch mit dem Tagesspiegel berichtet – übrigens noch immer in verblüffend akzentfreiem, fließendem Deutsch.

Frau Kerry, können Sie sich noch daran erinnern, dass auch Berlin einmal Ihr Zuhause war?

Oh ja, ich denke gerne an diese imponierende Zeit zurück. Meine Familie kam 1954 nach Berlin, weil mein Vater für zwei Jahre als Diplomat im Konsulat in der Clayallee arbeiten sollte. Da war ich sieben Jahre alt, mein Bruder John elf. Wir haben im Bachstelzenweg in Berlin-Dahlem gewohnt, Vater hatte es nicht weit zur Arbeit.

Ende Mai, Sie haben auch in Berlin Stimmen für Ihren Bruder gesammelt, standen Sie vor Ihrem ehemaligen Haus im Bachstelzenweg, haben aber nicht geklingelt. Warum?

Ganz einfach: Ich habe mich nicht getraut. Für die neuen Bewohner bin ich doch eine Wildfremde. Was hätte ich sagen sollen: Hallo, ich bin Diana Kerry, und ich habe hier vor Ihrem Hauseingang vor fünfzig Jahren mit meinen Puppen gespielt? Es war ein komisches Gefühl: In meinen Erinnerungen war das Haus riesig. Das ist ja oft so, wenn man etwas als Kind zum letzten Mal gesehen hat. Und dann steht man da – und alles sieht tatsächlich noch aus wie damals. Auch in der Straße hat sich wenig verändert.

Haben Sie sich wieder zu Hause gefühlt?

Das nicht. Die Menschen von damals gibt es nicht mehr. Frau Beckmann aus dem Nachbarhaus zum Beispiel, damals schon Großmutter. Mit ihr und ihren beiden Enkeln habe ich gebastelt. Ein Engel aus Papier hängt bis heute noch jede Weihnachten bei uns am Baum. Oder meine besten Freundinnen zu dieser Zeit…

Wissen Sie die Namen noch?

Aber natürlich: Carmen und Bianca Pabst und Regina… Regina Wagner. Leider habe ich den Kontakt zu ihnen verloren. Sie haben sicher geheiratet, heißen heute anders. Damals gingen wir gemeinsam in die Rudolf-Steiner-Schule, nur ein paar hundert Meter von unserem Haus entfernt. Der Unterricht war auf Deutsch. Ich habe natürlich am Anfang nicht viel mitbekommen. Bei einem Theaterstück, musste ich den Teufel spielen – der hatte keinen Text. Am Ende konnte ich aber das ganze Stück auswendig. Ich habe schnell Deutsch gelernt, auch John kann noch ein paar Worte. Ich glaube, diese Zeit in Berlin hat irgendwie die Weichen für mein Leben gestellt. Ich liebe andere Länder, bin später als Lehrerin jeweils für mehrere Jahre nach Teheran, Paris, Bangkok und Jakarta gegangen.

Wo waren Sie in Berlin am liebsten?

Wir haben immer im nahen Park gespielt, hinter der Straße „Im schwarzen Grund“. Das war unser Reich, die Wiese, die Teiche. Im Grunewald sind wir auch oft spazieren gegangen. Und dann der Wannsee! Sommertage dort habe ich geliebt. Einmal saßen wir in einem Segelboot, John war auch dabei – und wir hatten überhaupt keinen Wind, konnten unsere Richtung nicht bestimmen. Das Boot trieb immer weiter ab. Wir haben schon die Schilder gesehen: „Achtung, Sie verlassen den amerikanischen Sektor!“ Da hatte ich große Angst.

Es gab noch eine brenzlige Situation in Berlin, wie in allen John-Kerry-Biografien zu lesen ist. Ihr Bruder soll von Dahlem durch das Brandenburger Tor bis in den Ost-Sektor geradelt sein und dafür vom wütenden Vater Hausarrest bekommen haben. Stimmt die Geschichte eigentlich? Es ist kaum zu glauben, dass ein elfjähriger Junge alleine so weit radelt.

Wir hatten ein Fahrrad, das weiß ich. Aber ob John damit wirklich durch das Brandenburger Tor… Wie viele Kilometer sind denn das?

Mehr als 25 Kilometer hin und zurück.

Mir hat er von dieser Fahrt nie erzählt, und auch an den Wutausbruch unseres Vaters kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Geschichte wahr ist. Sie würde zu John passen. Er war immer schon unglaublich neugierig. Es hat ihn gelangweilt, wenn er im Garten spielen sollte. Und 25 Kilometer radeln? Kein Problem. Mein Bruder hat Energie für drei – auch heute noch.

Das Gespräch führte Meike Kirsch.

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