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Berlin: Im Container werden Zimmer frei

Da wird mein Ex aber Augen machen, sagt Bianca. Sie will zu „Big Brother“. Ein Besuch beim Casting

Es ist Sonnabend, es ist früher Morgen. Draußen knallt die Sonne. Im Mercure Airport Hotel in Neukölln riecht es nach Klimaanlage. Im ersten Stock warten an Stehtischen kleine Grüppchen auf das Big Brother-Casting für die sechste Staffel.

Für Küchenhilfe Heike würde sich mit dem TV-Auftritt in der RTL2-Serie ein Traum erfüllen. Nie hat sie eine Folge der Real Life-Soap verpasst. „Mein Ex wird Augen machen, wenn er mich auf der Mattscheibe sieht“, sagt die 37-Jährige mit dünnen, braunen Haaren und traurigen Augen. Auch die Vorstellung, auf unbegrenzte Zeit im Dorf zu leben, schreckt sie nicht. „Mich reizt es, meine Grenzen auszutesten“, sagt sie. Und natürlich reize sie auch das Geld.

Doch bevor es so weit ist, muss sie in einer Art Klassenraum mit den anderen Teilnehmern einen zwölfseitigen Fragebogen ausfüllen. Was sind Ihre sexuellen Vorlieben? Haben Sie Ersparnisse? Was würde Sie an der deutschen Politik ändern? „Die sollen härter gegen die Kinderschänder vorgehen“, poltert die langbeinige Nadine. Vorne am Tisch sitzen die Mitarbeiter einer Hamburger Casting- Firma, die nicht sagen wollen, wie sie heißen. Ihre Arbeit hier ist ihnen peinlich. Ein Gefühl, das den Bewerbern nicht so viel Sorge bereitet.

Big Brother – die Sendung, derentwegen sich einst hitzige Debatten darüber entzündeten, was Fernsehen darf, läuft immer noch. Gut eine Millionen Fernsehzuschauer wollen sehen, was 15 eingesperrte junge Leute treiben. Und es gibt auch immer noch eine Menge Leute, die dort gerne einziehen wollen.

Zum Beispiel Bianca. Sie hat sich das Kreppklebeband mit ihrem Namen über die Brüste geklebt und zwinkert den kräftigen Türstehern zu. Die Angestellte eines Begleitservice’ ist schon zum vierten Mal beim Casting. „Ich stehe eben gerne im Mittelpunkt“, sagt sie. Bei der Talkshow „Vera am Mittag“ hat sie auch schon mitgemacht.

Oder Lukas, ein schmächtiger Typ mit dunklen Haaren. Auf seinem T-Shirt steht „Big Brother – Opium fürs Volk“. Er ist nicht zum ersten Mal hier. „Die haben die Frage, welches Tier man gerne wär, wieder reingenommen“, sagt er mit Kennerblick auf den Fragebogen.

Oder Axel. Er wird als Erster in den Container gerufen. Vor laufender Kamera muss der 33-jährige Maler und Lackierer sagen, warum er der richtige Typ für die Serie ist. „Ick bin Buddhist“, sagt er und will Konflikte im Dorf mit Geduld und Nächstenliebe lösen. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, sei seine Devise. Ob er es damit in die Serie schafft? „Das entscheidet mein Karma.“

Da die Big Brother-Teilnehmer seit März in einem Dorf bei Köln leben mit Werkstätten und einem Design-Atelier, sind mehr als früher handwerkliche Fähigkeiten gefragt, sagt ein Casting-Mitarbeiter. Zum Casting in Hamburg kamen kürzlich etwa 180 Kandidaten. Für Berlin rechnet er mit mehr. Gleichzeitig wird auch in Frankfurt und Leipzig gecastet. Alle zwei Wochen wählt das Publikum einen Bewohner aus dem Dorf raus. Damit die Stammmannschaft von 15 Leuten bald wieder komplett ist, benötigt die Produktionsfirma Endemol ständig frische Gesichter. „Die potenziellen Teilnehmer sollten flexibel einspringen können“, sagt Big Brother-Sprecherin Maren Mossig. Die Serie wird fortgesetzt, solange die Einschaltquoten stimmen. Momentan schauen 8,8 Prozent der 14- bis 49-jährigen TV-Zuschauer täglich um 19 Uhr Big Brother.

Silvio Mario hofft auf den Ossi-Bonus. „Momentan sind fast nur Wessis im Dorf“, sagt er. Der 41-Jährige mit angegrauter Vorne-kurz-hinten-lang-Frisur bewirbt sich zum zweiten Mal. Er braucht das Geld, um ein Restaurant zu eröffnen. Das ist das vielleicht Weitsichtigste, was am Sonnabend im Neuköllner Mercure Hotel gesagt wurde.

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