zum Hauptinhalt
Weg mit dem Dreck. Angelika Heckhausen sammelt Müll am Ufer der Havel bei Schildhorn in Grunewald.

© Thilo Rückeis

Gemeinsame Sache in Charlottenburg-Wilmersdorf: Im Ökowerk wird Natur gelebt

Plastik gerät meist über die Flüsse ins Meer. Eine Initiative sammelt den Müll vom Havelstrand auf und sucht weitere Helfer.

Im Grunewald, am Ende einer langen Straße kurz vor dem Teufelssee, findet sich das Naturschutzzentrum Ökowerk – ein Ort, an dem Natur gelebt und gelehrt wird. Vor allem an den heißen Tagen ist es äußerst lauschig hier. Antonius Gockel-Böhner sitzt an einem dieser Tage im Garten des Ökowerks unter einem Baum. Ein Mann, der sich selbst als „Waldschrat“ bezeichnet, und dem man diese Beschreibung sofort abnimmt, mit seinen langen weißen Haaren und dem noch etwas längeren weißen Bart. Ihm gegenüber sitzt Angelika Heckhausen, studierte Physikingenieurin, spätere Logopädin und heutige Künstlerin und Umweltaktivistin. Gemeinsam organisieren sie schon seit sieben Jahren Aufräumaktionen an der Havel, um auf die zunehmende Verschmutzung der Meere aufmerksam zu machen.

Alles begann, als Heckhausen bei einem Urlaub auf der kanarischen Insel Fuerteventura mehr Plastik am Strand fand als Sand. „Es sieht dort an manchen Stellen sehr bunt aus“, sagt sie ironisch lächelnd. Heckhausen, die sich selbst in ihrem Leben immer wieder neu erfand, begann daraufhin, tief in das Thema Meeresschutz und Plastikmüll einzusteigen und kam zum Verein „Project Blue Sea“, der sich für von Ölresten und Giftmüll geschundene Tiere im und auf dem Meer und gegen den Meeresmüll einsetzt. Hier konzentrierte sie sich insbesondere darauf, Kinder auf pädagogische Weise für das Thema zu sensibilisieren. So entwickelte sie ein Kinderbuch, in dem es um einen Pool-Reinigungsroboter geht, der eine Reise durch verschiedene Flüsse bis in die Nordsee antritt und dabei auf jede Menge Plastikmüll trifft. „Wir haben mittlerweile 75 000 kostenfreie Exemplare des Buches verteilt“, sagt Heckhausen.

Um Umweltpädagogik geht es auch beim Naturschutzzentrum Ökowerk. An diesem Tag sieht man Schulklassen auf dem Gelände des ehemaligen Wasserwerks durch die hauseigenen Gärten streifen oder an Mikroskopen sitzen und etwas untersuchen. Das Angebot ist breit gefächert und richtet sich an alle Altersgruppen von der ersten bis zur zwölften Klasse. Hier können Kinder und Jugendliche Wasserproben aus dem Teufelssee entnehmen und analysieren, können Experimente durchführen und bei Führungen alles über das Leben im Wald lernen.

Waldführungen bietet auch der gelernte Jäger und studierte Biologe Antonius Gockel-Böhner durch. Er kümmert sich beim Ökowerk hauptsächlich um die Zoologie und den Amphibienschutz. So betreut er jährlich den Amphibienzaun an der Havelchaussee, der Erdkröten und andere Amphibien aus dem Grunewald daran hindern soll, auf der Straße von heranfahrenden Fahrzeugen getötet zu werden. Gockel-Böhner berichtet davon, wie selbst für ihn zu Beginn der Aufräumaktionen an der Havel kaum eine Verschmutzung feststellbar war. „Erst dachte ich, hier ist doch gar nichts, aber dann zieht man da Kunststoffmüll und Verpackungen aus dem Wasser, auch kleinste Plastikteilchen von Ohrstäbchen zum Beispiel, die durch die Wellenbewegung geschreddert werden.“

Folgen von Mikroplastik bisher unklar

Und damit spricht er das Thema der Stunde an, wenn es um Plastikverschmutzung geht: Mikroplastik. „Die Kosmetikindustrie verwendet es teilweise in Peelings, oder Schleifmitteln. Es sind kleinste Körnchen, Fasern oder Flakes unter fünf Mikrometern Größe, die von Organismen im Meer aufgenommen werden und so schließlich in die Nahrungskette gelangen. Sie sind aber auch in Textilien aller Art und in der Luft durch Reifenabrieb zu finden“, berichtet Angelika Heckhausen. „Wir wissen zwar heute noch nicht, was das mit Menschen macht, aber Mikroplastik hat im Meer die Eigenschaft, dass es an der Oberfläche Giftstoffe anlagert. Auf Nanoebene kann so etwas theoretisch auch in die menschliche Zellstruktur gelangen.“

Die Wissenschaft will jetzt dazu forschen, bislang wurde Mikroplastik etwa im menschlichen Darm nachgewiesen. Genaue Erkenntnisse zu Auswirkungen auf den Organismus gibt es noch nicht.

Doch wegen der potenziellen Gefahr setzen sie und Antonius Gockel-Böhner sich dafür ein, auf das Thema der Meeresverschmutzung mit ihren Aufräumaktionen aufmerksam zu machen. „Wir wollen keine Panik machen, sondern einfach, dass das Vorsorgeprinzip von der Politik angewendet wird“, sagt sie.

Nach dem Vorsorgeprinzip sollen denkbare Belastungen und Schäden für die Umwelt vermieden oder so gut es geht verringert werden. „Die Industrie muss weniger Kunststoff produzieren. Aber auch jeder von uns kann dazu beitragen und darauf achten, weniger Plastik zu verwenden.“ Ihre nächste Aufräumaktion wollen die beiden im Rahmen der Gemeinsamen Sache am 14. September an der Havel starten und freuen sich über möglichst viele Helfer*innen. „Flüsse sind die Eintragungswege in die Meere, deswegen müssen wir schon hier beginnen, diese von Plastik sauber zu halten", sagt sie. Etwa 80 Prozent des Mülls im Meer gerate durch die Flüsse dorthin.

Natürlich ist den beiden Umweltaktivisten bewusst, dass sie mit ihrer Aktion nicht die Problematik im Meer verändern können. „Aber wir wollen das Bewusstsein für die Thematik überhaupt erstmal durch eigene Erfahrungen bei den Menschen etablieren“, sagt Angelika Heckhausen. Und Antonius Gockel-Böhner, der Jäger und Biologe, fügt in Gedanken an das lutherische Sprichwort hinzu: „Selbst wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Baum pflanzen.“

Weitere Informationen auf:  www.oekowerk.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false