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Berlin: Im Tierheim ist kein Korb mehr frei

Sonderangebote und Familientage: Weil selbst die Notunterkunft überfüllt ist, werden Katzen jetzt besonders günstig abgegeben

Acht Wochen ist das schlafende Katzenbaby alt, das Familie Steinert sich gerade ausgesucht hat. Die Wahl fiel schwer. „Die sind alle so süß“, sagt Frau Steinert. Und sie ist erleichtert, dass sich ihre schlimmsten Befürchtungen über die Zustände im Tierheim nicht bestätigt haben. Weitläufige Grünflächen und helle Gebäude mit großen Glasfronten – das Berliner Tierheim in Falkenberg ist eines der modernsten Europas. Die Gehege im Katzenhaus „Samtpfötchen“ sind gefliest und mit Decken und Schlafkörben wohnlich ausgestattet. Die meisten Bewohner halten friedlich Siesta auf Kratzbäumen, Sesseln oder Wandvorsprüngen.

Doch der entspannte Eindruck täuscht – in Falkenberg herrscht Ausnahmezustand. Über sechshundert Katzen beherbergt das Tierheim derzeit, ein dramatischer Negativrekord. Sogar die Notaufnahmestation ist hoffnungslos überfüllt. In den drei Containern, die der Tierschutzverein Berlin mit Spendergeldern extra aufgestellt hat, fristen etwa 70 Katzen in Metallboxen ihr eintöniges Dasein.

„Es gibt immer mehr frei laufende Katzen in Berlin, die nicht kastriert sind und unkontrolliert Nachwuchs produzieren“, erklärt Tierheim-Sprecherin Evamari König. Hunde seien durch die Leine eben besser zu überwachen. Der Katzen-Ansturm hat deshalb auch nur bedingt mit der aktuellen Urlaubszeit zu tun – den Negativrekord 2005 verzeichnete das Tierheim beispielsweise im September. „Eigentlich ist Berlin die Hauptstadt der Haustiere“, sagt Evamari König und lächelt traurig. Als Grund für die nachlassende Tierliebe der Berliner vermutet sie die schlechte finanzielle Situation vieler Menschen. Die meisten Katzen würden ausgesetzt, weil die Besitzer das teure Futter oder den nächsten Tierarztbesuch nicht mehr bezahlen könnten.

Immer häufiger werden aber auch ganze Katzengroßfamilien bei Wohnungsräumungen beschlagnahmt. Tiffany ist seit Februar im Tierheim. Davor hauste die grau-weiß getigerte Katze eingesperrt mit zwanzig Artgenossen in einer verwahrlosten Wohnung in Neukölln. „Der Besitzer hatte wohl genug Probleme mit sich selbst“, sagt König.

Im Tierheim zwingt der akute Platzmangel die Mitarbeiter zu drastischen Maßnahmen: Für nur 20 Euro können Tierliebhaber derzeit eine Katze mit nach Hause nehmen, die schon geimpft und kastriert ist. „Wir schauen trotzdem sehr genau hin, an wen die Tiere gehen“, betont die Pressesprecherin. „Sonst haben wir sie bald schon wieder.“

Am Wochenende gibt es im Tierheim, Hausvaterweg 39, jeweils von 10 bis 18 Uhr ein Familienfest. Sonst ist täglich von 11 bis 16 Uhr geöffnet.

Lena Meier

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