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Berlin: Informationspflicht: Polizei will sich nicht in die Akten sehen lassen

Die Berliner Polizei hüllt sich in Schweigen. Seit zwei Monaten verweigert die Behörde einen Bescheid darüber, ob sie Einblick in ihre Akten zur Verkehrsüberwachung gewährt.

Die Berliner Polizei hüllt sich in Schweigen. Seit zwei Monaten verweigert die Behörde einen Bescheid darüber, ob sie Einblick in ihre Akten zur Verkehrsüberwachung gewährt. Das ist ein glatter Gesetzesverstoß. Denn die Frist für einen solchen Bescheid beträgt 14 Tage. Seit vorigem Jahr schreibt das Berliner Informationsfreiheitsgesetz Transparenz für die staatlichen Unterlagen vor. Sogar der Verfassungsschutz hat für den Tagesspiegel wegen dieses Gesetzes pünktlich einen Zipfel seiner Geheimnisse gelüftet. Er hat eine vertrauliche Ausführungsvorschrift offen gelegt.

Am 19. April hatte der Tagesspiegel sich mit der Bitte an die Polizei gewandt, uns Einblick in die Vorschriften über Geschwindigkeitskontrollen und über die Kontrolle des ruhenden Verkehrs zu geben. Zwar hat die Pressestelle uns dann eine mündliche Information angeboten. Der Sinn des Informationsfreiheitsgesetzes ist aber gerade die Akteneinsicht. Die Verwaltung soll gläsern werden.

Die USA sind das Vorbild. "Transparenz" heißt das Motto, auch Bürgernähe, Kontrolle des Staates, vielleicht sogar Aufdeckung von Skandalen. Seit Herbst letzten Jahres ist das Berliner "Informationsfreiheitsgesetz" in Kraft. Aber der erwartete Ansturm der Bürger auf das "in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen" ist ausgeblieben. Jeder hat heute ein Recht auf Akteneinsicht in Berlin. Doch das Recht wird bescheiden genutzt. Die Verwaltung ist nicht etwa unter der Flut der Wissensdurstigen zusammengebrochen, wie Claudia Schmid beim Datenschutzbeauftragten sagt.

Die Anfragen aus der Bevölkerung sind bisher breit gestreut. Bauplanungsunterlagen vor allem sind gefragt. Für viele Leute ist auch interessant, nach welchen Regeln der Staat öffentliche Grundstücke verkauft. Die Akten über Bus-Konzessionen wurden eingesehen, auch die Regeln für Bestattungen auf Berliner Friedhöfen. Rein theoretisch ist der Staat ziemlich durchsichtig geworden.

Geschützt sind lediglich personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, "bevorstehende" behördliche Maßnahmen - aber auch die nur für drei Monate -, die Strafverfolgung, die Beratung des Senats und der Bezirksämter und schließlich alles, was das "Wohl" des Bundes oder eines deutschen Landes oder das "Gemeinwohl" gefährden könnte. Geht es um mögliche Gesundheitsgefährdungen, hindern sogar personenbezogene Daten oder Geschäftsgeheimnisse in der Regel nicht an der Akteneinsicht. Auch Polizei und Verfassungsschutz sind nicht ausgenommen. Das "Gemeinwohl" ist allerdings ein weites Feld. Erst in der Praxis und durch die Rechtsprechung wird sich herausstellen, was der Staat vor seinen Bürgern noch geheim halten darf.

"Jeder Mensch hat", wie das Gesetz formuliert, jedenfalls ein Recht auf Akteneinsicht oder Auskunft "nach seiner Wahl": Bei Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen, Krankenhäusern, Eigenbetrieben, landesunmittelbaren Körperschaften, Stiftungen und Anstalten und auch gegenüber Privaten, die hoheitliche Befugnisse ausüben dürfen. Akten sind "alle schriftlich, elektronisch, optisch, akustisch oder auf andere Weise festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnungen, insbesondere Schriftstücke, Magnetbänder, Disketten, Filme, Fotos Tonbänder, Pläne, Diagramme, Bilder und Karten, soweit sie amtlichen Zwecken dienen". Auf Verlangen müssen Kopien zur Verfügung gestellt werden. Der Gesetzgeber hat an alles gedacht.

Nur "reine Neugier" soll nicht befriedigt werden. Sie gilt gesetzlich als "Privatinteresse". Denn der Informationsanspruch solle der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dienen "und eine Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen", wie der Innensenator in einer dienstinternen Anweisung geschrieben hat. Die Behörde kann einen Antragsteller deshalb auffordern darzulegen, worauf es ihm eigentlich ankommt und worin sein Informationsinteresse denn besteht.

Der Antrag kann mündlich oder schriftlich gestellt und genauso beschieden werden. Auch ist Eile geboten. Eine Ablehnung muss gesetzlich innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Gibt ein Interessent sich damit nicht zufrieden, muss er vor einer Klage beim Verwaltungsgericht erst in ein Widerspruchsverfahren steigen.

Eins hat der Innensenator allerdings bisher nicht geregelt. Die Gebühren. Was die Sache kostet, ist nach Auskunft des Datenschutzbeauftragten noch nicht geklärt.

Hans Toeppen

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