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Berlin: Interessierte Nichtwähler

Viele Berliner Türken über Wahlausgang in der Türkei enttäuscht

Freude und Enttäuschung lagen unter den Berliner Türken nah bei einander am Tag nach den Parlamentswahlen in der Türkei. „Wir respektieren den Willen des türkischen Volkes“, antwortete Ali Gülcek vom Verein „Türkische Gemeinde zu Berlin“ am Montag diplomatisch auf die Frage, ob sich die Mitglieder seines Vereines über die Ergebnisse der Wahlen freuten. Die mitgliederstarke Vereinigung in der Skalitzer Straße im Stadtteil Kreuzberg beherbergt etwa 38 Vereine unter ihrem Dach, von denen viele religiöskonservativ, aber auch bürgerlich-konservativ sind. Die Zahl der Mitglieder gibt Gülcek, der Vizepräsident des Vereins, mit etwa 15000 an. Er selbst wünscht der neuen Regierung viel Glück und hofft gleichzeitig, dass mit ihr „alles gut wird“. Er meint damit die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der Türkei, die weitere Öffnung des Landes nach Europa und den EU-Beitritt. „Ich hoffe, dass die Türkei in vorbildlicher Weise der Welt zeigen wird, dass Islam und Demokratie vereinbar sind“, sagte er gestern.

Unter den Mitgliedern des Vereins gebe es aber auch enttäuschte Menschen, weil ihre Parteien den Einzug in das Parlament nicht geschafft hätten. In Berlin leben etwa 125000 türkische Staatsbürger. Die wenigsten von ihnen haben vermutlich an den Wahlen teilgenommen, weil sie nur innerhalb der Türkei – auf Flughäfen oder an der Grenze – in eigens für sie aufgestellten Wahlkabinen für Auslandstürken wählen konnten. „Ich hatte weder finanziell noch beruflich die Möglichkeit, zur Wahl in die Türkei zu fliegen“, sagte auch Ali Gülcek.

Nach Vermutungen von Gülay Kizilocak, die die Berlin-Dependance des Essener Zentrums für Türkeistudien leitet, haben etwa 30000 Auslandstürken ihre Stimme auf den Flughäfen abgegeben. Diese Zahl habe das Zentrum aus der Zahl der üblichen Flüge zu dieser Zeit berechnet. Wieviele davon aus Berlin stammen, konnte die Zentrums-Mitarbeiterin nicht einschätzen. Gut die Hälfte der Berliner Türken dürften wahlberechtigt gewesen sein, schätzt sie. Das Interesse der Berliner Türken an den Wahlen sei deshalb groß gewesen.

Auch wenn im Vorfeld erwartet worden sei, dass die islamisch-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen würde, sei es doch für eine große Mehrheit der Menschen eine Enttäuschung, dass die säkulären konservativen Parteien nicht den Einzug ins Parlament geschafft hätten. „Mit der absoluten Mehrheit für die AKP hat kaum jemand gerechnet“, sagte Kizilocak.

Gülcek selbst hat sich die Wahl-Ergebnisse im Vereinsheim des türkischen Fußballklubs „SV Yesilyurt“ in Wedding angeschaut. Auch dort hätten sich einige gefreut, andere lange Gesichter gezogen. Anschließend hätten sie bis spät in die späten Stunden sachlich diskutiert. Auch in Kreuzberg, wo er am Montag war, gebe es keine aufgeregten Diskussionen. suz

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