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Berlin: Irmgard Glüer: Geb. 1905

Das metallische Klirren der Schlüssel hallte ihr durch die Krankenhausflure voraus. Oberschwester Irmgard Glüer konnte man hören, bevor man sie sah.

Das metallische Klirren der Schlüssel hallte ihr durch die Krankenhausflure voraus. Oberschwester Irmgard Glüer konnte man hören, bevor man sie sah. Daran erinnert sich die Rotkreuzschwester Renate Lawrenz, die 1963 als Krankenpflegeschülerin auf Oberschwester Irmgard traf. Für Renate Lawrenz war die Frau, deren Augen lustig im gütigen Vollmondgesicht blitzten, ein Vorbild. "Sie hatte eine große berufliche und menschliche Erfahrung. Und sie hatte eine unglaubliche warme Ausstrahlung."

Ihre Fürsorge galt den Kranken, aber auch den Schwestern selbst. "Bei ihr konnte man sein Herz ausschütten." Schwester Irmgard war ein fester Bezugspunkt für die Gemeinschaft. "Sie war intelligent, genau, verantwortungsvoll, wenn es um die Arbeit ging", sagt Renate Lawrenz, "aber sie war auch eine sehr humorvolle Frau, die gerne mit ihren Mitschwestern feierte." Kein Geburtstag, kein Sommerfest, bei dem sich Schwester Irmgard nicht engagiert hätte. Leibliche Genüsse wusste sie zu schätzen, das erzählen alle, die sie gekannt haben. Sie liebte gutes Essen und hegte ein Laster: Sie rauchte.

Im Februar 1905 als Tochter eines Reichsbahnbeamten in Mecklenburg-Vorpommern geboren, erlernte sie in Hamburg zunächst die Säuglingspflege. In Düsseldorf wurde sie Krankenschwester, in Magdeburg kam eine Ausbildung als Hebamme dazu. 1934 trat die damals 29-Jährige in die DRK-Schwesternschaft ein.

Ihre Arbeitsplätze wechselten in den folgenden Jahren häufig, bis sie 1963 ans Königswarter Krankenhaus in Lichterfelde kam. Dort übernahm sie bis zu ihrem Ruhestand 1970 eine leitende Funktion. Hier lernte Renate Lawrenz sie kennen. Irmgard Glüer arbeitete als Oberschwester und weckte in der 19-Jährigen den Wunsch, sich den Rotkreuzschwestern anzuschließen. "Ich habe ihr sehr viel zu verdanken", sagt Renate Lawrenz.

Auch im Ruhestand blieb Irmgard Glüer der Schwesternschaft eng verbunden. Sie zog ins Feierabendheim der Gemeinschaft. Ihre Tracht trug sie bis zum Schluss. Eine respektierte Ratgeberin blieb sie für viele Schwestern bis weit in den Ruhestand hinein. Weltoffen und interessiert verfolgte sie die politischen Entwicklungen besonders im Bereich der Pflegeberufe.

Nicht immer fiel es der 1905 geborenen Schwester leicht, die Frauen von heute zu verstehen. Sie selbst wuchs in einer Zeit auf, in der die Entscheidung für die Krankenpflege eine gegen eine eigene Familie war. Wer heiratete, trat aus der Schwesternschaft aus. "Insbesondere die veränderten Arbeitszeiten im Pflegebereich - bei den Schwestern wurden drei Schichten pro Tag eingeführt - konnte sie nicht gutheißen", sagt Renate Lawrenz. "Wie um alles in der Welt schaffen die jungen Schwestern es Arbeit, Mann, eigenen Haushalt und Kinder unter einen Hut zu bringen?", fragte sie mehr als einmal. Schwester Irmgard wollte den Anschluss an ihre jungen Mitschwestern nicht verlieren. Noch mit 90 Jahren interessierte sie, was die jungen Schwestern umtreibt, las die gleichen Bücher wie sie und nahm, solange ihre Gesundheit es zuließ, am Gemeinschaftsleben der Rotkreuzschwestern teil.

1997 wurde sie selbst pflegebedürftig. Sie zog um ins DRK-Krankenheim nach Mariendorf. Renate Lawrenz besuchte sie dort oft. "Ihr Rat und ihre menschliche Wärme fehlen mir sehr", sagt die Krankenschwester.

ue

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