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Berlin: Irokesen und Autoreifen

Eine Liebeserklärung an Kreuzberg in 19 Teilen

Fritzi Haberlandt ist erst vor kurzem nach Kreuzberg gezogen. Davor kannte die Schauspielerin den Stadtteil nur von gelegentlichen Einkaufsbummeln auf der Bergmannstraße. Jetzt hat sie sich in Kreuzberg verliebt – und entdeckt nach und nach seine Geschichte. Da ist zum Beispiel das alte Graffito in ihrer Nachbarschaft: „Startbahn West verhindern!“ steht an der Wand geschrieben. Das Verhindern hat nicht geklappt, nur die Forderung hat bis heute überlebt.

Kreuzbergs Geschichte ist wild, bunt und manchmal auch tragisch. Rundfunkredakteurin Dorothee Hackenberg, derzeit Programm-Managerin bei Radio Eins, beschreibt die Entwicklung des Stadtteils von den siebziger Jahren bis heute in 19 Kapiteln. Und zwar anhand der Beschreibungen von mehr oder weniger prominenten Berlinern: Sängerin Annette Humpe ist dabei, Techno-Veteran Dr. Motte auch, dazu Werner Orlowsky, 1981 der erste grüne Baustadtrat. Auch ein Polizist sowie ein früheres Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ kommen zu Wort. Und der Spaß-Autonome Mao Meyer: „Kreuzberger sein ist eine Lebensform“, sagt der ganz ernst.

In „Kreuzberg. Keine Atempause“ erfährt der Leser kurzweilige Geschichten über Jugendhäuser, Irokesenschnitte und Wasserwerfer. Und er kann einiges lernen: Warum Punks keine Hippies mögen, warum die Kreuzberger Polizei ständig neue Autoreifen brauchte und warum viele Hausbesetzer die Bewag schätzten.

Auch die wilde Vergangenheit des heutigen Abgeordnetenhauspräsidenten wird in Erinnerung gerufen. So habe Walter Momper einst öffentlich vertreten, „dass man mitunter Regeln brechen müsse, um auf ein berechtigtes Anliegen hinzuweisen“. Er soll sich gar an einer Hausbesetzung beteiligt haben, behauptet Hackenberg. Ganz friedlich natürlich.

Kreuzberg ist so spannend, man könnte noch tausende andere Geschichten erzählen, schreibt die Autorin. Auch der Leser wünscht sich einen zweiten Teil.

— Matthias Pabsch: Berlin und seine Künstler. Primus Verlag, Darmstadt, 216 Seiten, 24,90 Euro.

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