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Berlin: Jeder sechste Berliner ist behindert

Der Senat stellt seinen neuen Jahresbericht vor – und gesteht erhebliche Probleme mit dem Fahrdienst ein

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen hat in Berlin deutlich zugenommen. Sie sei seit 2003 um mehr als gut viereinhalb Prozent auf rund 543 500 gestiegen. Das heißt, das etwa jeder sechste Berliner körperlich oder geistig beeinträchtigt ist. Zu diesem Ergebnis kommt die Senatsverwaltung für Gesundheit in ihrem Behindertenbericht 2006. Über zwei Drittel der Betroffenen sind demnach schwer behindert. Sozialstaatssekretärin Petra Leuschner sagte, Berlin sei hinsichtlich der Eingliederung Behinderter „bundesweit führend“. Allerdings gab sie Probleme zu – vor allem mit dem Behindertenfahrdienst. Sie bestätigte damit eine entsprechende Kritik des Landesbehindertenbeauftragten Martin Marquard.

Der Landesbehindertenbeauftragte Martin Marquard sagte, die Integration Behinderter funktioniere insgesamt gut, vor allem im öffentlichen Nahverkehr. Allerdings kritisierte er den neu organisierten Behindertenfahrdienst und die Chancenlosigkeit Behinderter auf dem regulären Arbeitsmarkt. Der neue Betreiber des Behindertenfahrdienstes habe sich bisher nicht bewährt: zu lange Wartezeiten, Verspätungen und eine häufig überlastete Telefonhotline. Staatssekretärin Leuschner bestätigte dies auf Nachfrage. „Da gibt es zu viele Beschwerden.“ Sie kündigte eine zusätzliche Notrufnummer an. Der Fahrdienst ist der Nachfolger des Telebusses. Er wird von rund 12 000 Menschen genutzt. Im Juli wechselte der Betreiber erneut. Hintergrund ist die Kürzung staatlicher Mittel: von bisher 12 Millionen Euro auf 9 Millionen in diesem Jahr. Ab 2007 sollen nochmals 2 Millionen Euro eingespart werden. Kritik übte Marquard zudem an der Privatwirtschaft. Sie halte die gesetzlich vorgeschriebene Beschäftigungsquote nicht ein. Viele Betriebe zahlten lieber die Ausgleichsabgabe, eine Art Bußgeld. Laut Bericht waren 2005 rund 11 000 Behinderte arbeitslos gemeldet.

Datengrundlage für den Bericht ist die Zahl der Anträge, die auf die Anerkennung von Behinderungen gestellt wurden. Die Zahl sei daher eine „Mindestzahl“, sagte Leuschner. Denn nicht alle Menschen mit Behinderungen stellten zwangsläufig Anträge. Den Anstieg der Zahlen führte Leuschner vor allem auf den medizinischen Fortschritt zurück – die Betroffenen lebten heute länger. „Mit der Gesamtentwicklung liegt Berlin im Bundesdurchschnitt“, sagte Petra Leuschner. Der Senat habe seit 2003 die Eigenverantwortung Behinderter gestärkt. Als Beispiel nannte die Staatssekretärin ein Modell, nach dem Anspruchsberechtigte anstelle von Sachleistungen nun Geld erhielten, um sich eigenständig Hilfe zu organisieren. Insgesamt werden für Behinderte rund 600 Millionen Euro pro Jahr aufgewendet, etwa für die Arbeit in Werkstätten, für Pflege oder für das Blindengeld.mne

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