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Berlin: Jenseits der neuen Mitte

SPD-Parteitag will linkes Profil schärfen

Von den Genossen in Berlin mit ihrem linken Regierungsbündnis geht für den SPD-Parteichef Kurt Beck derzeit keine Gefahr aus. Die Delegierten des mit etwa 16 000 Mitgliedern relativ kleinen Landesverbandes werden ihn auf ihrem Wahlparteitag im „Berliner Congress Centrum“ am Alexanderplatz freundlich empfangen. Beck will als Gast über ein „soziales und leistungsfähiges Deutschland“ reden und wird, wie man hört, auch über den problematischen Zustand der Bundespartei etwas sagen.

Nach seiner Rede wollen die Berliner Sozialdemokraten eine Resolution beschließen, deren zweiter Absatz dem Vorsitzenden Beck gefallen dürfte. Die Ausgangslage für die Bundestagswahl 2009, in der sich die Partei präsentiere, sei zwar nicht die beste. „Aber das ist nicht auf die Fehler Einzelner zurückzuführen“, heißt es. Beck wird sich wohl auch im Bekenntnis der Hauptstadt-SPD zu deutlichen Korrekturen an der Schröderschen Agenda 2010 wiederfinden. Mit der „klaren Ausrichtung an sozialdemokratischen Grundwerten“ und der „Rückbesinnung auf traditionelle Wählergruppen“ stelle die SPD die Weichen für eine erfolgreiche politische Auseinandersetzung um gesellschaftliche Mehrheiten, steht in der Entschließung. Und zwar „jenseits der vermeintlich neuen Mitte“.

Die Teilprivatisierung der Bahn, der alle anderen SPD-Landesverbände zugestimmt hatten, wird erneut als schwerer politischer Fehler kritisiert. Die Resolution enthält auch Forderungen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer, für eine höhere Erbschaftsteuer, niedrigere Sozialabgaben. Und: „Wir wollen mit Mindestlöhnen der Arbeit ihren Wert zurückgeben.“ An dieser Stelle sollte Finanzsenator Thilo Sarrazin die Ohren spitzen, aber es kann gut sein, dass ihn vorher schon – in der Generalaussprache zur Landes- und Bundespolitik – einige Parteifreunde an der Schulter rütteln. Trotz seiner förmlichen Entschuldigung für die Bemerkung, er würde jederzeit für fünf Euro pro Stunde arbeiten, muss Sarrazin mit einigen zornigen Reden rechnen. Immerhin nahm der Geschäftsführende SPD-Landesvorstand gestern zufrieden zur Kenntnis, dass Sarrazin an seinem Hang zu provokanten Meinungsäußerungen überraschend deutlich Selbstkritik übte. Das sei eine „neue Qualität“, hieß es anerkennend in der SPD-Führungsetage.

Im Zentrum des Landesparteitags wird aber nicht der Finanzsenator stehen, sondern die Auseinandersetzung um das politische Bezirksamt. Eine muntere Diskussion ist zu erwarten, denn die Frage, ob die Bezirke künftig durch Parteienbündnisse „regiert“ und die Stadträte von Koalitionen gewählt werden sollen, bewegt die Berliner Sozialdemokraten seit Jahrzehnten. Ein Kompromissvorschlag des Vorstands sieht einen Minderheitenschutz für die Opposition vor. Der SPD-Landeschef Michael Müller will dafür vehement kämpfen. Ob mit Erfolg, ist weiter offen.

Weitere Anträge (zu den BVG-Tarifen, für höhere Gehälter im öffentlichen Dienst, zum EU-Vergaberecht, für kostenloses Schulessen, höhere Hartz-Regelsätze, tarifliche Gleichstellung der Leiharbeiter, Erleichterung des Daueraufenthaltsrechts für Migranten usw.) dienen erkennbar dazu, das ohnehin linke Profil der Berliner SPD noch zu schärfen. Ganz nebenbei wählen die Sozialdemokraten einen neuen Landesvorstand. Müller soll Parteichef bleiben, auch alle vier Stellvertreter kandidieren wieder. za

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