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Johanna Wanka: Im Westen was Neues - vor fünf Jahren

Johanna Wanka war die einzige Ost-Ministerin, die vor fünf Jahren in die alte Bundesrepublik wechselte. Ihre Erfahrung mit dem Wissenschaftssektor half ihr in Hannover. Was Klaus Wallbaum darüber schrieb.

Potsdam/Hannover - Eigentlich habe sich für sie wenig geändert, sagt Johanna Wanka und lächelt. Denn ihre neue Heimatstadt Braunschweig habe ganz viel gemein mit Potsdam, wo sie bisher wohnte. Zwar ist Braunschweig keine Landeshauptstadt, hat aber eine lange Geschichte als Residenzstadt. Auch gibt es statt vieler Schlösser nur eines – und das hat hinter der aufwendig rekonstruierten Fassade nur im kleinen Umfang kulturelle Werte zu bieten, im größeren jedoch ein Einkaufszentrum. Aber Braunschweig habe viel Grün, viele Kultureinrichtungen und wie Potsdam mit rund 250 000 Einwohnern „genau die richtige Größe“, erklärt Johanna Wanka. Nicht zu riesig, um eine anonyme Großstadt zu sein, nicht zu winzig, um provinziell zu wirken.

Sie wirkt zufrieden. Viel Zeit, sich in ihrer kleinen, 55 Quadratmeter großen Braunschweiger Wohnung einzuleben, hatte sie sowieso noch nicht. Am Wochenende ist die Ministerin meistens auf Achse, repräsentiert bei vielen Terminen und beweist ein großes Geschick, immer wieder in den Zeitungen und im Fernsehen aufzutauchen. Ihr Vorgänger als Wissenschaftsminister in Niedersachsen, der Oldenburger Lutz Stratmann, hatte längst keine vergleichbare Medienpräsenz. Seit fünf Monaten zählt die 59-Jährige nun zur Landesregierung in Niedersachsen, ihre Verankerung in der Brandenburger CDU hat sie Zug um Zug aufgegeben. Wanka ist die einzige Ost-Ministerin, die in den Westen wechselte und dort ihre Karriere fortsetzte. Umgekehrte Fälle gibt es zuhauf, angefangen von den vielen Aufbauhelfern aus dem Westen in den neuen Ländern Anfang der neunziger Jahre. Aber in die Ost-West-Richtung zu gehen, damit ist sie schon einzigartig. Dem heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff hat sie es zu verdanken, als dieser – eine der letzten großen Amtshandlungen als Ministerpräsident in Hannover – im Frühjahr sein Kabinett umbildete.

In den ersten Wochen, sagt Wanka, habe das Ost-WestThema überhaupt keine Rolle gespielt. Dann aber, je mehr es auf den 3. Oktober als 20. Jahrestag der Einheit zuging, sei das Interesse an ihrer Biografie immer größer geworden. Der Gipfelpunkt war dann ein Treffen am einstigen Grenzübergang Helmstedt-Marienborn. Dort traf sie, Politikerin mit einem Lebenslauf in der DDR, als niedersächsische Ministerin ihre sachsen-anhaltinische Amtskollegin Brigitta Wolff, Politikerin mit einem Lebenslauf in der Bundesrepublik. Symbolischer hätte das Zusammenwachsen von Ost und West an diesem Tag und diesem Ort nicht sein können.

Was Wanka in Niedersachsen hilft, ist ihre große Erfahrung als Professorin, Hochschulrektorin und Wissenschaftspolitikerin. Sie wird allseits respektiert, ist bundesweit gut vernetzt und lässt sich weder von der Opposition im Landtag noch von den Hochschulen etwas vormachen. Die Ostdeutsche im Westen ist zumindest im Fachgebiet alles andere als fremd – das erleichtert auch das Kennenlernen der niedersächsischen Mentalität. Und sie kann auf Erfolge in ihrer Brandenburger Zeit verweisen, etwa die Aufwärts-Entwicklung der Studentenzahlen in Brandenburg unter ihrer Führung. Im Landtag vergisst sie selten, solche kleinen Hinweise auf Brandenburg in ihre Rede einzuflechten – und damit ihre Fachkunde zu unterstreichen. Mit viel Charme, einer gehörigen Portion Witz und auch Gewitztheit tritt sie auf, und manche Positionierungen lassen dann auch aufhorchen. So schaffte es Wanka, den unter ihrem Vorgänger monatelang verschobenen Zukunftsvertrag mit den Hochschulen unter Dach und Fach zu bringen – und das noch vor der Haushalts-Klausurtagung des Kabinetts. Die Universitäten bleiben damit für fünf Jahre von Kürzungen verschont. Im Streit um die Frage, ob die Universität Lüneburg ein riesiges neues Zentralgebäude bekommen soll, zeigte Wanka deren Leitung die Zähne – und verlangt jetzt Klarheit über das Finanzierungskonzept. Zuvor hatte die Uni im Ministerium immer nur offene Türen eingerannt.

Planvoll ist Wanka dabei, sich eine neue politische Hausmacht aufzubauen. Als sie berufen wurde, sagte der damalige Ministerpräsident Christian Wulff, Wanka solle für „die Braunschweiger“ im Kabinett stehen. Die Suche nach der Braunschweiger Wohnung war der Anfang, die schöne große Wohnung in Potsdam wird sie wohl aufgeben. Da ihr Mann als Professor in Chemnitz arbeitet, sehen sich beide ohnehin nicht täglich. Die Braunschweiger CDU hat im niedersächsischen Dachverband der Partei ein Eigenleben, sie bildet einen eigenen Landesverband und fühlt sich oft von „den Hannoveranern“ dominiert. Wanka will in gleichem Maße, in dem sie in der Brandenburger CDU Positionen aufgibt, in Braunschweig aktiver werden. Bei den Sitzungen des Kreis- und Landesvorstandes der Braunschweiger CDU ist sie als Gast schon dabei, und zum Braunschweiger Oberbürgermeister Gert Hoffmann findet sie auch einen Draht. Kein Wunder: Der Mann hat Ost-Erfahrung, war in den neunziger Jahren Regierungspräsident in Dessau. In jener Zeit war auch Wanka in Sachsen-Anhalt aktiv, wäre dort beinahe Ministerin geworden.

Gibt es Unterschiede zwischen West und Ost? Wanka überlegt einen Moment, nennt dann die „Bereitschaft zu Veränderungen“. Im Osten hätten die Menschen seit der friedlichen Revolution viel dazulernen und von vielen altbekannten Dingen Abschied nehmen müssen. Im Westen hingegen fehle diese Erfahrung, eine Umgestaltung der Verhältnisse erzeuge sehr viele Ängste, die Sorgen seien größer, und oft höre man den Satz: „Das war doch schon immer so.“ Doch die Ministerin will sich davon nicht beirren lassen.19741561974156

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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