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Eine mobile Leinwand, ein paar Stühle und mehrere hundert Filme: fertig ist das Festival. 2010 gastierte Moviemiento in Ecuador.

© Nadja Bülow

Jubiläumsparty mit Kurzfilmen: Filmfestival Moviemiento feiert 10-Jähriges

Seit zehn Jahren reist das Filmfestival „Moviemiento“ um die Welt. Am Wochenende wird das in Grünau gefeiert – mit Filmen, Cabaret und Schnitzeljagd.

Wie viel sich in zehn Jahren doch so ansammelt: „Technik, Leinwände, das ganze Filmequipment“, zählt Dorte Riemenschneider auf. „Das Büro ist gerade eher ein Lagerraum und nicht besonders gemütlich.“ Deshalb findet das Treffen auch nicht in der Grünberger Straße in Friedrichshain, sondern in Kreuzkölln in Dorte Riemenschneiders Wohnzimmer statt. Kollegin und Freundin Jule Schneeweiß hat es sich auf der blauen Couch schon bequem gemacht und schenkt sich eine Saftschorle ein. Es gibt eine Menge zu erzählen.

Die beiden Mittdreißigerinnen gehören zum festen Kern des reisenden Kurzfilmfestivals „Moviemiento“, das am Wochenende runden Geburtstag feiert: Vor zehn Jahren begab sich eine Handvoll junger Studenten das erste Mal auf Tour. Im quietschbunten VW-Bus, mit einer Leinwand und zehn Kurzfilmen im Gepäck quer durch Europa, von Berlin durch die Niederlande, die Schweiz und Spanien bis nach Kroatien. „Wir haben auf gut Glück einen Antrag bei einem Jugendförderprogramm der EU gestellt“, sagt Kulturwissenschaftlerin und Dokumentarfilmerin Jule Schneeweiß. „Die Finanzierung wurde bewilligt, da war klar, dass wir das dann auch durchziehen mussten.“

Die Tour wurde ein solcher Erfolg, dass sie zwei Jahre später mit anderer Reiseroute wiederholt wurde. Während der Tour entstand die Idee zum nächsten Projekt, und so ging es immer weiter: „Man sitzt abends zusammen und spinnt rum, die Ideen wurden von Mal zu Mal verrückter“, erzählt Schneeweiß, die noch gut als Studentin durchgehen würde mit ihrer Muschelkette, der blauen Trainingsjacke und der grauen Strickmütze, unter der ein paar blonde Haarsträhnen hervorgucken. Inzwischen blicken die Macherinnen auf knapp ein Dutzend Touren zurück, darunter ein Ostsee-Segeltörn bis nach Sankt Petersburg, eine Fahrradtour entlang der deutsch-polnischen Grenze und eine Videoworkshop-Expedition durch Südamerika. Auch zwei Kurzfilm-Projekte in der Geburtsstadt Berlin hat es gegeben.

Jule Schneeweiß (links) und Dorte Riemenschneider organisieren das Jubiläumsfestival.
Jule Schneeweiß (links) und Dorte Riemenschneider organisieren das Jubiläumsfestival.

© Mike Wolff

Große Party im Funkhaus Grünau zum Zehnjährigen

Grund genug also, ordentlich zu feiern: mit Kurzfilmen natürlich, im Funkhaus Grünau in Treptow-Köpenick, und vielem mehr. Unter freiem Himmel werden die neuesten Filme sowie das Beste aus zehn Jahren gezeigt, ein Motto wie sonst gibt es im Jubiläumsjahr nicht. Dafür aber Workshops, Cabaret, Mitmachaktionen, Schnitzeljagd und Theater. Für Letzteres reist extra die Theatergruppe „Atelier El Masrah“ aus Kairo an. In diesem Frühjahr fuhren zehn „Moviemientos“, wie sich die Kinomacher selbst nennen, nach Kairo, wo sie mit den ägyptischen Schauspielern ein Theaterstück entwickelten, das zum Jubiläum in Berlin aufgeführt wird. Dass es hier mal nicht um Kurzfilme geht, stört die Macher nicht, im Gegenteil. Es zeige, was Moviemiento ausmacht: Offenheit für neue Ideen, der kulturelle Austausch und Internationalität.

„Arbeitssprache ist Englisch“, sagt Dorte Riemenschneider, die das Theaterprojekt betreut. „Durch all unsere Projekte im Ausland haben wir mittlerweile Leute aus der ganzen Welt im Team.“ Sie selbst stieß 2009 dazu. Über Freunde hat die zierliche 35-Jährige mit den langen braunen Haaren das Projekt kennengelernt. „Ich bin da irgendwie reingerutscht.“ So entwickelt sich das Team ständig weiter, von den Initiatoren der allerersten Stunde sind außer Jule Schneeweiß nur noch zwei andere aktiv dabei. „Einige sind weggezogen, andere haben Kinder bekommen oder eine Vollzeitstelle“, sagt Schneeweiß. Da bleibt nicht immer die nötige Zeit, denn die Organisatoren entwickeln die Projekte in ihrer Freizeit; Dorte Riemenschneider ist eigentlich Ausstellungskoordinatorin, Jule Schneeweiß betreibt eine Bar. Jedes Mal müssen die Fördergelder, etwa bei der EU oder der Bundeszentrale für politische Bildung, aufs Neue beantragt werden. Gewinn bringt das Festival nicht - jedenfalls keinen materiellen.

Die "Moviemientos" kommen aus der ganzen Welt

Insgesamt sind etwa dreißig Moviemientos im Team, den engeren Kreis bilden zehn, so richtig könne man das aber gar nicht beziffern. Jule Schneeweiß hat bei fast allen Touren mitgemacht. Sie organisiert gerade das Geburtstagsfest. Sofern man das überhaupt sagen kann: „Bei uns werden alle Entscheidungen von der ganzen Gruppe getroffen“, sagt sei. Das dauere zwar manchmal länger, aber am Ende seien alle glücklich mit dem Ergebnis – eben weil die Ideen von sämtlichen Beteiligten, darunter nicht nur Kulturschaffende, sondern auch Architekten, Anwälte und Techniker, miteinfließen.

Zur Geburtstagsparty haben sich viele angekündigt, aktive wie passive Moviemientos, Festival-Partner aus der ganzen Welt, die während der gemeinsamen Projekte zu Freunden geworden sind. Damit alle unterkommen, werden in Grünau einfach ein paar Matratzen auf die Wiese gelegt.

Plattform für junge Filmemacher

Ist mit zehn Jahren Erfahrung heute irgendwas anders als früher? „Nö“, sagt Jule Schneeweiß grinsend. „Höchstens, dass man mit dreißig vielleicht doch lieber im Hostel schläft als am Strand.“ Obwohl jetzt alle ein bisschen erwachsener und routinierter geworden sind, geht es in den Hochphasen immer noch chaotisch zu: Bei den Besuchern aus Ägypten war bis vor ein paar Tagen nicht klar, ob sie ihr Visum bekommen, bei der Südamerika-Tour 2011 stand bis zum letzten Tag die Finanzierung auf der Kippe.

Bisher ist aber immer alles gut gegangen – und der Stress letztlich belohnt worden: „Es ist doch toll, mit Leuten, die man gerne mag, unterwegs zu sein, und dabei was Sinnvolles auf die Beine zu stellen“, findet Jule Schneeweiß. Ein gesellschaftspolitischer Ansatz steckt schon im Grundsatz „umsonst und für alle zugänglich“. Deswegen auch die Kurzfilme. „Das ist so schön ungezwungen: Man kann kommen und gehen, sich in den Pausen unterhalten“, sagt Jule Schneeweiß. „Außerdem wollen wir jungen Filmemachern eine Plattform geben“, ergänzt Dorte Riemenschneider. „Denn Kurzfilme werden viel zu selten gezeigt.“

Als Nächstes sind eine Balkanreise und eine Autokino-Tour durch die USA geplant. Wer mit den beiden spricht, hat nicht die geringsten Zweifel, dass aus den vagen Plänen bald schon Reisen werden.

14.–16. Juni, Funkhaus Grünau, Regattastr. 277, Eintritt 10 €. Alle Infos zum Festival gibt’s auf www.moviemiento.org

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