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Nachama

© Heinrich

Jüdische Gemeinde: Exodus zum Hüttenweg

Immer mehr liberale Juden zieht es in die Zehlendorfer Synagogengemeinde - die benötigt nun mehr Platz.

Die Liberalen unter Berlins Juden gehen zunehmend ihren eigenen Weg innerhalb der Jüdischen Gemeinde. Ob nun als bewusste Abkehr von der Einheitsgemeinde oder weil es ihnen dort einfach am besten gefällt: Immer mehr versammeln sich in der Synagogengemeinde Hüttenweg. Da der Platz nicht mehr ausreicht, sucht man nun sogar nach einem neuen Standort. Auch hat sich die Gemeinde um den Rabbiner Andreas Nachama vor kurzem einen neuen Namen gegeben: Statt Synagogenverein Hüttenweg heißt sie nun demonstrativ „Synagogengemeinde Berlin“.

Prominente liberale Juden wie Julius Schoeps, der Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, hatten in den vergangenen Monaten beklagt, dass ihnen die Jüdische Gemeinde zu Berlin zu orthodox geworden sei und dass sie sich dort nicht mehr zu Hause fühlten. Sie prophezeiten, dass sie sich mit einer eigenen Gemeinde selbstständig machen werden. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin versteht sich wie auch die meisten anderen jüdischen Gemeinden in Deutschland als Einheitsgemeinde.

„Vor acht Jahren haben wir mit 15 Leuten angefangen, jetzt kommen regelmäßig über 100 Leute zu den Gottesdiensten“, sagt Dan Moses, Vorsitzender der neuen Synagogengemeinde Berlin. Seit einem Jahr sind immer wieder liberale Juden aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten, weil sie von den Streitigkeiten genug hatten oder mit dem Kurs der Gemeindeführung nicht einverstanden sind. Moses ist vor eineinhalb Jahren ausgetreten.

Die Räume am Hüttenweg, in denen man sich bisher trifft, seien zu klein geworden, man wolle das Angebot ausbauen. Außerdem gehören die Räume zu einer evangelischen Kirche. Deshalb könne man sie nur an bestimmten Tagen nutzen. Die Gemeinde sucht nun einen Standort in Steglitz oder Zehlendorf. Man habe sich schon einige Objekte angesehen, bestätigt auch Rabbiner Andreas Nachama. Nun komme es darauf an, wie viel der private Sponsor ausgeben wolle. Der Umzug soll noch dieses Jahr erfolgen.

Als demonstrative Abkehr von der Einheitsgemeinde wollen Moses und Nachama den großen Zulauf in den Hüttenweg aber nicht interpretieren. „Wir sind die einzige Reformgemeinde in Berlin“, sagt Nachama. Wer religiös liberal eingestellt ist, der komme hierher. Außerdem sei die Gemeinde im Hüttenweg schon jetzt selbstständig, weil sie kein Geld von der Jüdischen Gemeinde erhalte. „Wir fühlen uns aber der Jüdischen Gemeinde nach wie vor zugehörig“, sagt Moses, „aber sie ist nur noch eine Art Dachverband für uns, kein Kultusverband.“ Auch Nachama schwebt als Zukunftsmodell eine Jüdische Gemeinde zu Berlin vor, die nurmehr als Dachorganisation fungiert über den einzelnen Gemeinden, die eine größere Eigenständigkeit erhalten sollten. Dieses Modell wird in vielen anderen Ländern praktiziert.

„Ich beobachte die Suche nach dem neuen Domizil und die Umbenennung mit großem Wohlwollen“, sagt Julius Schoeps, der auch aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten ist und sich der Hüttenwegsgemeinde zugehörig fühlt. Wenn die Wahlen zum Gemeindeparlament im November ergeben, dass die Liberalen nicht mehr im Gemeindevorstand vertreten seien, wie viele befürchten, könne aus dem Hüttenweg heraus durchaus etwas Eigenständiges, Neues entstehen. Die Suche nach einem neuen Standort könnte ein „erster Schritt“ sein.

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