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Berlin: Jüdische Kulturtage: Das älteste Judentum Europas

Sie sind ein kleiner Neuanfang, die diesjährigen Jüdischen Kulturtage. Zum ersten Mal verantwortet nicht Andreas Nachama das Programm.

Sie sind ein kleiner Neuanfang, die diesjährigen Jüdischen Kulturtage. Zum ersten Mal verantwortet nicht Andreas Nachama das Programm. Er gab den Staffelstab an Irina Knochenhauer weiter. Und die hat ein ebenso überraschendes wie spannendes Thema gefunden: Judentum in Italien. Überraschend deswegen, weil die knapp 30 000 Juden in Italien in der heutigen jüdischen Welt kaum eine Rolle spielen. Umso spannender aber, weil in keinem europäischen Land schon so lange Juden beheimatet sind. Vor fast 2000 Jahren, nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, führte Kaiser Titus Juden aus der Provinz Judea in die Verbannung nach Rom. Bis heute lassen sie sich weder dem aschkenasischen noch dem sephardischen Judentum zuordnen, sind eine eigene Welt geblieben mit eigenem Ritus. Und gleichzeitig sind Italiens Juden engstens mit Gesellschaft und Kultur ihres Landes verbunden. So bietet "Piazza Italia" ein zwischen Geschichte und Gegenwart spielendes Programm, das sich sehen lassen kann.

Eröffnet wir das Festival am 11. November von Moni Ovadia, der mit seinem TheaterOrchestra eine wilde Mischung von Theater, Chanson, Tanz und Pantomime auf die Bühne bringt. Besonders Jüngere will man stärker anziehen. So gibt die italienische Dub / Fusion-Formation Snafu ihr erstes Konzert im Ausland. Die Künstlergruppe Meshulash spielt mit den Begriffen Diaspora und Paradiso, die aus exakt denselben Buchstaben zusammengesetzt sind. Und auch David Broza wird das Publikum wieder mit Stimme und Gitarre begeistern.

Italien war Zufluchtsort für Juden rund ums Mittelmeer, so sucht Evelina Meghnagi nach den Spuren sephardisher Klänge im Bel paese, während Jalda Rebling mit ihrem Ensemble italienisch-jüdische Gesänge aus der Renaissance wiederbelebt. Im Centrum Judaicum präsentiert Giulio Busi, Judaistik-Professor an der FU, eine Sammlung von kabbalistischen Manuskripten aus Mantua, die er auch in mehreren Vorträgen erklärt. Einst ein Zentrum dieser mystisch-spekulativen Geistesströmung war Mantua geistiger Knotenpunkt zwischen Orient und Okzident. Zudem verdeutlichen zahlreiche Zeichnungen zentrale kabbalistische Vorstellungen.

Das Filmland Italien hat auch bei jüdischen Themen eine Menge zu bieten. So zeigt die Filmreihe Francesco Rosis Verfilmung von Primo Levis "Die Atempause" genauso wie Vittorio de Sicas Adaption von Giorgio Bassanis "Die Gärten der Finzi-Contini". Neben vielen anderen darf da auch "Das Leben ist schön" von Roberto Benigni nicht fehlen. Dieses Jahr konnten auch neue Partner gewonnen werden. So zeichnet die Kunstbibliothek die Exiljahre Kurt Glasers in Italien nach. Und die Deutsche Guggenheim widmet ihrer Patronin Peggy eine italienische Party mit Wein und Musik. Schließlich hat die "Patroness of the Avantgarde" ihre Privatsammlung in ihrem venezianischen Palast Venier de Leoni der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Neben vielen weiteren Leckerbissen bietet das Festival auch einen veritablen: "Carciofi alla giudea" heißen die berühmten Artischocken aus dem römischen Ghetto. Unter diesem Motto serviert Joan Rundo jüdisch-italienische Leckereien in der Kochschule Brillat Savarin. Auch Kultur geht bekanntlich durch den Magen.

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