zum Hauptinhalt

Jugendgewalt: Berliner Migrantenverbände sind über Koch empört

In der Debatte um Jugendkriminalität haben Berliner Verbände wenig Verständnis für den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Sie finden, dass junge Migranten in eine Ecke gestellt werden. Koch solle erst "mal nachdenken, bevor er redet".

Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist im Wahlkampf und hat sich das Thema Jugendkriminalität auf die Flagge geschrieben - Vor allem was Jugendliche mit Migrationshintergrund angeht. Doch nicht nur seine Parteigenossen haben anscheinend zunehmend Probleme mit Kochs Kampfansagen, auch die Migrantenverbände beobachten die zunehmend emotional geführte öffentliche Diskussion mit Sorge. Die Stimmung heizt sich auf. Wie sehen es Berliner Verbände, die sich der interkulturellen Arbeit widmen? Tagesspiegel.de hat nachgefragt.

Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der "Türkischen Gemeinde in Deutschland":
"Mit großer Sorge verfolgen wir die Debatte in Deutschland, die vom Ministerpräsidenten Herrn Koch angestoßen worden ist. Die in den letzten Tagen angefangene Diskussion ist nach unserer Meinung diskriminierend und spaltet die Gesellschaft. Kaum sind Wahlen in Sicht, versuchen manche Politiker eigene Versäumnisse auf die Schwächsten dieser Gesellschaft abzuwälzen. Sie schüren die vorhandenen Vorurteile und missbrauchen die Fragen des Strafrechts und Einwanderungsrechts für plakative Botschaften."

Eren Ünsal
, Sprecherin des "Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg":
"Ich teile die Empörung der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Statt diese Art Diskussion zu führen, sollte man über Projekte und Konzepte sprechen. Man sollte Jugendliche unterstützen, die auf der Straße sind. Statt darüber zu reden, wer schuld hat, sollte man in Projekte investieren. Ich habe das Gefühl, dass wir gerade in einer Zeit, in der wir uns um diese Jugendliche verstärkt kümmern sollten, diese noch mehr an den Rand der Gesellschaft schieben. Durch diese öffentliche Diskussion kann es passieren, dass sich bestimmte Gruppen zurückziehen oder ganz verabschieden, dass Jugendliche sagen: Die Gesellschaft tut nichts für uns, also wollen wir auch nichts mit ihr zu tun haben. Das gilt übrigens genauso für deutsche Jugendliche."

Mustafa Akcay, stellvertretender Vorsitzender des Vereins "Deutsch-Türkisches Zentrum":
"Das kann man nicht akzeptieren. Da wird kein Fingerspitzengefühl gezeigt. Nur um Stimmen zu fangen, darf man so ein Thema nicht missbrauchen. Diese Gruppe hat Probleme, das weiß jeder. Ihr fehlt Verantwortungsbewusstsein und Bildung. Vielleicht ist sie auch ein wenig hoffnungslos. Aber diese Diskussion hat keine positiven Folgen und man kann die Probleme so auch nicht lösen. Aus dem Wahlkampf heraus so eine Diskussion zu führen, ist sowieso nicht in Ordnung. Koch sollte zuerst einmal sorgfältig nachdenken, bevor er redet."

Thorsten Falkenberg, Projektleiter der Begegnungsstätte "Oase Pankow". 40 Migranten, meist minderjährige Jugendliche aus Heimen, halten sich hier regelmäßig auf:
"Man hat einen Sündenbock gesucht und diese Zielgruppe gefunden. Man sollte diese Minderheiten nicht schlecht reden, sondern lieber überlegen, wie man helfen kann. Es gibt viele Migranten, die es geschafft haben. Die werden in der Diskussion aber nicht erwähnt. Das Problem ist hausgemacht. Wenn man Migranten die Entwicklung nimmt, muss man damit rechnen, dass etwas schief geht. Sie brauchen mehr Bildungsangebot und mehr Förderung. Auch ältere Jugendliche, die nicht mehr zur Schule gehen, müssen irgendwo ein Angebot finden. Die haben keine Perspektive und schließen sich dann zu Gruppen zusammen."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false