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Nur im Plenarsaal ist genügend Beinfreiheit.

© dpa

Käfighaltung im Parlament: Berliner Abgeordnetenhaus platzt aus allen Nähten

Die Raumnot im Abgeordnetenhaus zwingt viele Politiker, sich kleine Büros zu teilen. Nach der geplanten Reform könnten externe Räume angemietet werden, um die Enge zu lindern.

Von Sabine Beikler

Zwei Schreibtische, vier Stühle, ein Paar hüfthohe Regale – verteilt auf einer Fläche von 13 Quadratmetern. Ein Holzklappstuhl lehnt noch an der Wand. Das ist kein Second-Hand-Möbelladen, keine Remise, sondern das Arbeitszimmer von zwei Berliner Parlamentariern und zwei Mitarbeitern im 5. Stock des Berliner Abgeordnetenhauses. Ihre Arbeitsbedingung ist kein Einzelfall: Jede Fraktion hat Büros, die genau genommen aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen nicht mehr als solche genutzt werden dürften.

Der Preußische Landtag platzt aus allen Nähten

Ein anderes Beispiel zwei Stockwerke tiefer: Will der Parlamentarier hier zu seinem Büro, muss er durch eine kleine Teeküche gehen. Arbeiten kann er dort aber ohnehin kaum, denn ein laut brummender Computerserver stört das konzentrierte Aktenlesen. Das ist Alltag im Abgeordnetenhaus. Doch Ausweichmöglichkeiten gibt es im Preußischen Landtag nicht mehr. Inzwischen ist die Situation so schlimm, dass Abgeordnete ihre Arbeitszeit mit Parteifreunden absprechen, mit denen sie ein Büro teilen. Auch die Mitarbeiter kommen meistens zur Arbeit, wenn sie ihren „Arbeitgeber“ nicht im Büro wissen. Räume, die kleiner als zehn Quadratmeter sind und zu kleine Fenster haben, würden nicht mehr vergeben, sagen die parlamentarischen Geschäftsführer. Denn jedem Mitarbeiter steht eine Raumgröße von mindestens elf Quadratmeter zu. „Wir bewegen uns in einer rechtlichen Grauzone“, sagen Torsten Schneider (SPD), Heiko Melzer (CDU), Uwe Doering (Linke) und Heiko Herberg (Piraten) übereinstimmend. Deshalb bitten sie, die Besetzung aller Büros auch zu anonymisieren. Nur der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Benedikt Lux, gesteht, dass die 29-köpfige Fraktion bei der Zuteilung der Büros wenig zu nörgeln habe.

Abgeordnete arbeiten in Räumen ohne Fenster

Die Raumnot ist zum Teil so groß, dass bei der Linken der Mitarbeiter für den BER-Untersuchungsausschuss im einzigen Sitzungsraum arbeitet. Dutzende Ordner sind in dem fensterlosen Raum verteilt, der nur diffus durch ein Oberlicht erhellt ist. „Die Dunkelkammer“ nennt Doering diesen Raum.

Bei den Piraten teilt sich Martin Delius, der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses, ein Zimmer mit einem Abgeordneten. Auch die beiden Fraktionschefs sitzen im Gegensatz zu den Vorsitzenden der anderen vier Fraktionen nicht allein. Bei der CDU und der SPD teilen sich bis zu vier Abgeordnete mit ihren Mitarbeitern Büros, die mit 60 Quadratmetern etwas größer sind.

Parlamentsreform schafft mehr Platz

Im Zuge der geplanten Parlamentsreform, die bis auf die Grünen SPD, CDU, Linke und Piraten unterstützen, gibt es nun die Möglichkeit, externe Büros anzumieten. Das soll einerseits Bürgernähe fördern, andererseits soll damit auch die Raumnot im Abgeordnetenhaus etwas gelindert werden. Für ein Einzelbüro im Wahlkreis oder Bezirk erhält der Abgeordnete künftig eine steuerfreie Kostenpauschale von monatlich 2500 Euro. Darin sind Schreibarbeiten, Telefon, Fahrtkosten enthalten. Unterhält er kein Büro, reduziert sich die Pauschale auf 1500 Euro. Teilen sich bis zu drei Abgeordnete ein Büro, verringert sich die Pauschale um je 150 Euro. Viele Parlamentarier sind schon im Gespräch mit Parteifreunden, um sich gemeinsame Büros anzumieten.

Im Abgeordnetenhaus arbeiten 150 Verwaltungsangestellte plus Präsidium und 149 Abgeordnete. Hinzu kommen 170 Mitarbeiter, die direkt für die 149 Abgeordneten der fünf Fraktionen arbeiten. Jede Fraktion hat darüber hinaus noch durchschnittlich 25 Fraktionsmitarbeiter, zu denen zum Beispiel wissenschaftliche Mitarbeiter zählen. Diese bereiten Ausschüsse vor, schreiben Gesetzestexte und müssen die Fachpolitiker inhaltlich vorbereiten. Mehr als 600 Personen sind im Fraktions- und Verwaltungsbereich des Abgeordnetenhauses beschäftigt. Viele arbeiten zwar als Teilzeitkräfte. Doch die Büros reichen für alle nicht aus.

160 Büros seien für Verwaltungsangestellte vorgesehen, teilte das Abgeordnetenhaus mit. 62 Büro unterhält die SPD-Fraktion, 53 die CDU-Fraktion, die Grünen haben 40 Fraktionsräume, die Linke 30 und die Piratenfraktion 21 Räume. Insgesamt stehen 366 Räume für etwa 600 Personen zur Verfügung. Zu wenig, sagt auch Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD): „Im Abgeordnetenhaus herrschen in der Tat keine optimalen Arbeitsbedingungen für die Parlamentarier“, sagt er. Wieland hat zwar jetzt ein eigenes, großes Büro, kennt aber auch die Zeit als einfacher Abgeordneter seit 1999.

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