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Berlin: Kampagne gegen Feinde des Vaterlands

Wie türkische Blätter über die Einladung an kurdischstämmige Politiker berichten

Die Tageszeitung „Sabah“ versucht ihr Glück in Deutschland bereits zum zweiten Mal. Nachdem das Boulevardblatt Anfang 2001 aus den Kiosken verschwand, erscheint es seit Mitte 2006 wieder. Vielleicht schafft es „Sabah“ ja dieses Mal, sich neben den drei etablierten Tageszeitungen Hürriyet, Milliyet, Türkiye auf Dauer zu halten. Auffällig bei dieser Zeitung ist vor allem die grobschlächtige Art, wie sie meint, den Türken in Deutschland aus der Seele zu sprechen.

„Deutscher Paragraph 301 kommt“, titelte die Sabah zum Beispiel am Mittwoch. In den Zeilen darunter hieß es: „Die deutsche Regierung plant die Ausweisung von Ausländern, die die Deutschen beleidigen.“ Im Text wurde deutlicher, was Sabah meint. „Einerseits verlangt Deutschland die Abschaffung des Paragraphen 301 in der Türkei, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, andererseits will es im Zuge der Veränderung des Ausländergesetzes Migranten ausweisen, die die Grundwerte des Landes verunglimpfen“, hieß es. Die „Frankfurter Rundschau“ hatte zuvor über dieses Gesetzesvorhaben berichtet. Demnach sollen Ausländer, die Hass gegen andere Gruppen schüren oder etwa Familienangehörige an der Integration massiv hindern, künftig ausgewiesen werden können. Wer Teile der Bevölkerung „böswillig verächtlich macht“ oder beschimpft, soll das Land verlassen müssen.

Aus deutscher Sicht hinkt der Vergleich von Sabah. Auf den Paragraphen 301 des türkischen Strafgesetzbuches berief sich beispielsweise die Staatsanwalschaft, als sie den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk aufgrund seiner Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern vor Gericht stellte. Auch Journalisten werden bei allzu kritischer Berichterstattung über die Politik im Lande mit Berufung auf diesen Paragraphen angezeigt.

Eine Kampagne gegen eine Berliner Politikerin hat die Sabah bereits hinter sich gebracht. Dabei erschien mehr als eine Woche lang täglich das Gesicht der PDS-Politikerin Evrim Baba auf der Titelseite dieser Zeitung. Sie unterstellte der Abgeordneten zum Beispiel, sie leugne in ihrem Personalausweis ihre türkische Herkunft. Dort stünde angeblich als Geburtsort „Kurdistan“. Die Konkurrenzzeitung Milliyet zeigt daraufhin die Vorderseite des Ausweises der Politikerin, wo unter der Rubrik Geburtsort „Varto/Türkei“ geschrieben steht. Auslöser für die Anfeindungen war eine offizielle Einladung des türkischen Außenministers Abdullah Gülen an 25 türkischstämmige Abgeordnete aus ganz Europa, unter denen auch einige kurdischstämmige Mandatsträger waren. „Sabah“ führte eine Umfrage durch, ob solche „Vaterlandsverräter“ in die Türkei eingeladen werden dürften. Zuletzt berichtete Sabah am Freitag über Evrim Baba, weil sie einer deutschen Zeitung erzählt hatte, dass sie eine anonyme Drohmail bekommen habe. „Opferrolle von Evrim Baba“, schrieb die Zeitung in ihrer Überschrift.

Suzan Gülfirat

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