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Berlin: Kampf gegen die Kippe

Für viele Jugendliche sind Zigaretten immer noch Statussymbole. Bezirke und Schulen werben fürs Nichtrauchen

Wie eine Prozession zieht eine Gruppe von Jugendlichen über den Pausenhof der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Schöneberg, schon auf dem Weg flammen die ersten Feuerzeuge auf. Kurz darauf ist die Raucherecke dicht bevölkert. Die ersten Züge werden tief eingesogen, der Qualm lässig aus den Mundwinkeln gepustet.

Steigende Tabakpreise, die zunehmende gesellschaftliche Ächtung von Zigaretten – all das beeindruckt die Schüler, die hier stehen, scheinbar wenig. Statistiken zufolge ist die Zahl der erwachsenen Raucher seit Anfang der 90er-Jahre langsam zurückgegangen. Die Zahl rauchender Jugendlicher aber bleibt konstant. Das bestätigen auch viele Berliner Schulleiter. So wie Klaus Brunswicker von der Sophie-Scholl-Schule: „Jugendliche fühlen sich fit und gesund und glauben deshalb, dass ihnen nichts passiert.“ Auch in der Riesengebirgs-Oberschule in Schöneberg quarzen die Schüler Direktor Hans-Joachim Stolle zufolge wie eh und je. Ähnlich sieht es an der Kepler-Oberschule in Neukölln aus. „Die Zigaretten sind ein Statussymbol wie die Markenschuhe“, sagt Schulleiter Wolfgang Lüdtke. Etwa 16 Prozent der Oberschüler rauchen täglich, weitere fünf Prozent mindestens einmal die Woche. Bei der ersten Zigarette sind die Jugendlichen durchschnittlich 11,6 Jahre alt. Das fand das Robert Koch Institut heraus. Sollte man da nicht das Rauchen auf dem Schulgelände verbieten? „Ein Verbot könnten wir nicht kontrollieren“, sagt Schulleiter Brunswicker, genau wie viele seiner Kollegen. Stattdessen müsse man Schüler dazu bringen, das Rauchen freiwillig zu lassen.

Eine flächendeckende Antirauchkampagne gibt es in den Berliner Schulen jedoch nicht. Allerdings bemühen sich manche Bezirke jetzt verstärkt, den Zigarettenkonsum in den Schulen einzudämmen. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat gerade einen Ideenwettbewerb für Schüler unter dem Motto „Rauchen macht Arm“ gestartet. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf verbannt im Rahmen des Projekts „Leben ohne Qualm“ schon seit geraumer Zeit Zigarettenwerbung von den bezirkseigenen Plakatwänden. Und seit kurzem vermittelt eine Arbeitsgruppe Unterrichtsmaterial oder Referenten, die mit den Jugendlichen über Rauchgewohnheiten diskutieren und Möglichkeiten zeigen, aufzuhören.

Dort, wo die Bezirksämter weniger aktiv sind, beschränken sich viele Schulen auf die Drogenaufklärung im Biologieunterricht. Oder die Pädagogen erklären sich bereit, nur im Lehrerraucherzimmer zu rauchen, um selbst kein schlechtes Beispiel abzugeben. Doch mehr und mehr Lehrer und Schulleiter entschließen sich, den Qualm in der Schule zu bekämpfen. So wie Hans-Joachim Stolle von der Riesengebirgs-Oberschule.

Seine siebte Klasse nimmt an dem Wettbewerb „Be smart–don’t start“ vom Institut für Therapie und Gesundheitsforschung IFT teil. Die Schüler haben sich verpflichtet, ein halbes Jahr eine Nichtraucherklasse zu sein. Im Unterricht wird regelmäßig über das Thema geredet und wöchentlich erstattet Stolle dem IFT Bericht, ob – wie verlangt – weniger als zehn Prozent der Schüler rauchen.

An der Sophie-Scholl-Schule will man mithilfe eines Projekts der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung dem Zigarettenkonsum auf dem Schulhof beikommen. „Auf dem Weg zur rauchfreien Schule“ lautet das Motto. Das Prinzip des Projekts: Die Zigaretten sollen nicht einfach nur verboten, sondern die Schüler Zug um Zug von den Vorteilen des Nichtrauchens überzeugt werden. Noch bevor die Raucherecke verschwindet und das Lehrerraucherzimmer schließt. Eine Arbeitsgruppe sitzt über einem Maßnahmenkatalog, der Rauchen in der Schule mit sinnvollen Sanktionen belegt– dann müssen die Schüler zum Beispiel einen Aufsatz über die eigene Rauchergeschichte schreiben. Auch Nichtraucherkurse sind im Gespräch. So soll genau die Reaktion verhindert werden, die viele Stammgäste in der Raucherecke der Sophie-Scholl-Schule für den Fall eines Rauchverbots schon jetzt ankündigen: „Dann gehen wir eben vor die Schule.“

Am 25.Februar startet die Kampagne „Rauchfrei 2004“. Raucher, die vier Wochen auf die Zigarette verzichten, können Preise im Gesamtwert von 10000 Euro gewinnen. Informationen im Internet unter www.rauchfrei2004.de.

Anne Seith

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