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Berlin: Kampf um CDU-Spitze: Ex-Senator Kurth tritt an

Offenes Rennen mit Joachim Zeller um Stölzl-Nachfolge Er gilt als Zögerer und Zauderer – jetzt greift er an

Peter Kurth will es nun wissen: Er kandidiert auf dem nächsten CDU-Landesparteitag für das Amt des Landesvorsitzenden gegen Joachim Zeller. Das hat Kurth am Mittwoch an Christoph Stölzl geschrieben, der als Landesvorsitzender Ende April zurückgetreten ist. Stölzl hatte der Partei und der Fraktion Joachim Zeller, den Bürgermeister von Mitte, als Nachfolger empfohlen. Zeller gilt als Politiker, der Fraktionschef Frank Steffel nahe steht. Steffel, sein Führungsstil und seine Misserfolge in Meinungsumfragen haben ihn zum Gegenstand einer Personaldiskussion gemacht, seitdem die beiden der CDU verbundenen Unternehmer Hartwig Piepenbrock und Klaus Krone den Fraktionschef öffentlich zum Rücktritt aufforderten.

Peter Kurth ist ein Mann des „liberalen“ Flügels in der Union. Ihm trauen viele zu, dass er das bürgerliche und das unternehmerische Berliner Publikum erreicht, das sich mit Steffel schwer tut. Allerdings ist offen, ob sich ganze Kreisverbände hinter Kurths Kandidatur stellen werden. Mancher an der Basis begrüßt, dass es nun zwei in der Partei hoch angesehene Kandidaten für den Landesvorsitz gibt - und ärgert sich darüber, dass die beiden Kandidaten programmatisch nicht sehr weit auseinander zu sein scheinen. Noch bevor Kurth am Mittwoch seine Kandidatur bekannt gemacht hatte, hieß es, dass er sich auf rund 160 der 330 Delegierten würde stützen können. Kurth sagte gestern Nachmittag, er „würde nicht kandidieren, wenn ich von einer Niederlage ausgehen würde“.

In vielen Kreisverbänden hat die Personaldiskussion über den Landesvorsitz gerade erst begonnen; die Delegierten sind durchaus nicht festgelegt auf einen der beiden Kandidaten. Die so genannte Basis in Orts- und Kreisverbänden hatte in den vergangenen Tagen alles Mögliche erkennen lassen. Spandau steht, wie der Kreisvorsitzende Gerhard Hanke sagt, geschlossen hinter Zeller; Mitte - Zellers politische Heimat - ist uneinig. In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es viel Sympathie für Kurth. In den östlichen Kreisverbänden wird das Kandidatenrennen gerade erst Thema. So ist die Frage, wer am 24. Mai mit wie viel Stimmen rechnen kann, kaum zu beantworten, weil die Kandidatendiskussion nun eine neue Dynamik bekommt.

Kurth spricht nicht allein von der innerparteilichen Unterstützung, die ihn zur Kandidatur ermutigt hat. Auch Unterstützung „von außerhalb der CDU“ hat ihn bewegt: Beim 25-km-Lauf am Wochenende hätten ihn viele ihm Fremde auf die Lage der CDU angesprochen und ihn aufgefordert, ins Rennen um die Kandidatur zu gehen. Nun will er die Wochen bis zum Landesparteitag nutzen, um in der Partei für sich zu werben. Seinen Job im Vorstand von Alba lässt er ruhen.

Peter Kurth ist nicht der geborene Sieger. Aber ein Mensch mit hoher Intelligenz und klaren Gedanken. Ein kühler Rechner, der das berufliche Handwerk bei der Deutschen Bank gelernt hat. Ab und zu blitzt bei Kurth die rheinländische Frohnatur durch – trotz der freundlichen Distanz, die er gern wahrt: Er ist in Siegburg aufgewachsen, sagt „Sieschbursch“, lacht – und fällt sogleich in ein gestochenes Hochdeutsch zurück.

Kurth ist ein bürgerlicher Liberaler, der sich in Großstädten pudelwohl fühlt. In London hat er zeitweise gelebt, Mitte der achtziger Jahre zog er nach Berlin. In die Union ist er schon mit 17 Jahren eingetreten, hat als Student in Bonn und Freiburg fleißig Hochschulpolitik gemacht und weiß genau, wie seine CDU funktioniert. Trotzdem wirkt Kurth wie ein Quereinsteiger. Der Typ „Parteifunktionär“ ist er nicht. Seinen Ortsverband Wilmersdorf-Nord hat er zu einem Sammellager für untypische CDU-Mitglieder ausgebaut. Immer gab es Parteifreunde, die verhindern wollten, dass aus Kurth was wird. Auch der langjährige CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen hatte zu ihm ein eher zwiespältiges Verhältnis.

Dass hinderte Kurth nicht, sich in der Union durchzubeißen. Mit zäher Geduld, nicht mit den üblichen Tricks zur innerparteilichen Machteroberung – die beherrscht er nur unvollkommen. Das brachte ihm prompt den Vorwurf ein, ein Zauderer zu sein. Manchmal half dem 43-Jährigen nur noch der jungenhafte Humor, aber mit der Zeit ist es Kurth gelungen, mit Argumenten und persönlicher Leistung zu überzeugen. Zunehmend gewann er Unterstützer in der Berliner CDU. Die halfen ihm, ins Parlament einzuziehen, 1994 der jüngste Finanz-Staatssekretär Deutschlands und 1999 Finanzsenator zu werden. Der Bruch der großen Koalition trieb Kurth ins zivile Berufsleben zurück – er wurde Vorstand der Alba AG. Ein Job, der ihm Freude machte, aber viel unterwegs sein ließ. In Mittel- und Osteuropa.

Aber wer nicht präsent ist, den bestraft die Partei. Kurth wurde zum virtuellen Hoffnungsträger der Landes-CDU, der aber nie wirklich zur Verfügung stand. Weder als Spitzenkandidat, noch als Fraktions- oder Landeschef der Union. Der Fünfjahresvertrag bei Alba war dafür sicher auch ein Grund, aber nicht der einzige. Denn Kurth sah sich immer als Vertreter einer innerparteilichen Minderheitenposition und wollte nicht auf Risiko spielen. Stets kalkulierte er nüchtern seine Chancen; stets mit dem Ergebnis: nicht mehrheitsfähig. Jetzt scheint die Rechnung zum ersten Mal aufzugehen. Kurth wird, sollte er Parteichef werden, für eine liberale, urbane und wirtschaftsnahe Landes-CDU stehen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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