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Knut

© dpa

Berliner Zoo: Kampf um Knut

Fast die ganze Welt liebt ihn, nur der Berliner Zoo ist auffallend zurückhaltend – aus Eifersucht? Andere Städte wollen ihn jetzt auch.

Der Stararchitekt Daniel Libeskind ist begeisterter Knut-Fan. Er arbeitet gerade in New York, und es ärgert ihn, dass der Eisbär möglicherweise Berlin verlassen muss, weil der Berliner Zoo sich nur sehr halbherzig für seinen Star einsetzt. Dem Tagesspiegel sagte Libeskind: „Nach der Flut von Liebe, Zuneigung und Unterstützung, die die Berliner für Knut gezeigt haben, ist es eindeutig, dass er im Berliner Zoo zu Hause bleiben sollte.“ Libeskind unterzeichnete als einer der Ersten die Unterschriftenaktion der Berliner Initiative „Knut forever in Berlin“ im Internet. Wie er schwärmen viele Prominente und Politiker weltweit von „Njuht“, wie die Amerikaner sagen. Im Internet erhoben bereits 22 000 Menschen aus aller Welt ihre Stimme, um Knut in Berlin zu halten.

In der Stadt selbst scheint sich ein bisschen was zu bewegen. Zoochef Blaszkiewitz sagt, der Zoo wolle den Bären behalten – „das würde mich freuen“. Das ist für den zögerlichen Direktor viel. Fast scheint es, als werde er sich langsam dem öffent lichen Druck beugen und sich deut licher dafür einsetzen, dass Knut bleibt. Bislang hieß es, man übe Zurückhaltung, damit der Preis für Knut nicht so hoch werde. An Knuts Besitzer, den Tierpark Neumünster, muss Berlin Geld zahlen oder Tiere liefern, wenn der Bär bleibt. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Der Eisbär, sein Pfleger Thomas Dörflein und der Berliner Zoo – es begann als Märchen. Inzwischen kippt die Geschichte in ein Drama um Neid, fehlende Sensibilität und falsche Bescheidenheit.

Zehntausende standen an einem einzigen Tag an, nur um ein Tier zu sehen. Noch heute kommen sie aus den USA und Kanada, gucken den Knut-Film im Kino, kleben Knut-Briefmarken. Gegen diese Vermarktung hat sich der Zoochef schon immer gesträubt. Noch heute irren Touristen im Zoo herum und suchen verzweifelt Knut, mehrsprachige Schilder gibt es nicht. Der Berliner Zoochef sagt: Das ist ein Tier wie jedes andere, es zieht nur die Aufmerksamkeit von all den anderen ab. Doch viele Leute kommen wegen Knut. Allein 2007 betrug der Gewinn, den die Zoo AG aus dem Tier zog, mehr als fünf Millionen Euro, und 2008 wird wieder ein erfreuliches Jahr. Berlins Zoochef sagte bis vor wenigen Tagen, er habe kein Geld für ein neues Gehege und er wolle auch keine dritte Eisbärengruppe. Er kritisiert die angebliche Knut -Hysterie der Presse und betont, er mache sich nicht zur Marionette der Mediengesellschaft.

Es gab einen zweiten Mann, der das nicht wollte. Und der doch dank seiner Hingabe einen nie dagewesenen Besucher- und Medienansturm erzeugte. Knuts Ziehvater Thomas Dörflein. Er sagte damals: „Ich gehe jeden Abend zufrieden nach Hause. Das ist ein einziger Quell der Freude, diese Arbeit.“ Der Zoo entschied sich bewusst für die „Knut-Show“ mit ihm. Der introvertierte Pfleger machte dem Tier zuliebe mit. Dörflein sagte aber Auftritte bei TV-Shows ab und nahm Fernsehpreise nicht an.

Der Zoochef war über den Tod Dörfleins erschüttert – doch Trauer sei zuallererst eine Familienangelegenheit, sagte er. Die Öffentlichkeit kritisierte, dass der Zoo erst spät ein Kondolenzbuch aus- und einen Kranz am Urnengrab niederlegte. Blumen und Gedenkfotos der Fans aus aller Welt am Gehege werden bis heute oft noch am gleichen Abend abgeräumt. Der Zoo sei doch kein Friedhof, heißt es. Und überhaupt gebe es nicht nur Dörflein, sondern ein ganzes Pflegerteam. Da klingt nach Neid bei Chefs und Kollegen. Blaszkiewitz sieht das so: „Die Aufgabe des Berliner Zoos ist es, wie schon 1844, Tiere zu zeigen.“ Und: „Emotionen sind schlechte Berater, wenn es um rationale Entscheidungen geht.“ In einem knappen Brief an die Knut-Eigentümer in Neumünster ging er auf deren Ultimatum ein, schriftlich mitzuteilen, ob er Knut wolle oder nicht. Zoofreunde fragen sich: Warum konnte sich der Zoo-Chef noch nie für seinen Publikumsmagneten begeistern? Warum wirbt er jetzt nicht offensiv um ihn?

Andere sind da leidenschaftlicher, und womöglich überzeugen diese Mitbewerber die Entscheider in Neumünster mehr als die Berliner. „Wir würden uns total freuen, Knut zu kriegen“, sagt Pernilla Thalin vom Orsa Bearpark in Schweden. „Unsere Leute lieben ihn.“ In der 50 000 Quadratmeter großen Polarwelt wartet bei der Eröffnung 2009 Jungbärin Eva aus Rotterdam, zu der sich Knut gesellen dürfte. „Wir hätten Knut gern bei uns“, sagt auch Sabine Haas vom Zoo Gelsenkirchen. Dort lebt Jungbärin Lara auf 1700 Quadratmetern Naturgelände mit 700 Quadratmetern Pool und unterirdischen Panoramascheiben.

In Berlin haben viele Besucher das Gefühl, der Zoo kümmere sich zu wenig um Knut. In Nürnberg beschäftigen Pfleger Eisbärin Flocke, in dem sie Duftspuren legen, Essen verstecken und ihr Tierspielzeug bieten. In Berlin heißt es: „Eine Fränkin muss anders beschäftigt werden als ein Berliner.“ Eisbären-Spezialistin Gail Hedberg aus San Francisco sagt hingegen: „Abwechslung ist wichtig, damit ein Tier keine Verhaltensschäden entwickelt.“

Wenn Thomas Dörflein sehen würde, wie Knut jetzt seinen Ball immer wieder mit der Schnauze herausschleudert aus dem Gehege und so mit den Besuchern spielt, hätte er wahrscheinlich gesagt: „Schreiben Sie das lieber nicht, sonst nehmen sie ihm noch seinen Ball weg.“ Zu Knuts Zukunft sagte er immer: „Der muss weg. Was soll er hier so ganz allein?“ 

Annette Kögel

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