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Berlin: Kardiologie: Trügerische Wahrnehmung

Frauen, die über häufiges Erbrechen klagen, unter Übelkeit leiden und Schmerzen im Schulterbereich verspüren, sollten die Symptome ernst nehmen. Denn diese können auf einen Herzinfarkt hindeuten.

Frauen, die über häufiges Erbrechen klagen, unter Übelkeit leiden und Schmerzen im Schulterbereich verspüren, sollten die Symptome ernst nehmen. Denn diese können auf einen Herzinfarkt hindeuten. Überhaupt sind Herzkreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache bei Frauen, was bisher so kaum wahrgenommen wurde. Etwa 200 000 Frauen sterben jährlich an derartigen Leiden, das ist mehr als die Hälfte der Todesfälle. "Die subjektive Wahrnehmung widerspricht den objektiven Tatsachen", sagt Vera Regitz-Zagrosek, Oberärztin am Deutschen Herz-Zentrum Berlin (DHZB). Denn Brustkrebs, den Frauen mehr als Herzschwäche oder -infarkt fürchten, ist nur die vierthäufigste Todesursache.

Seit Anfang des Jahres gibt es eine Arbeitsgruppe am DHZB, die sich mit "Herzkreislauf-Erkrankungen bei Frauen" beschäftigt. In Experimenten fand die Gruppe heraus, dass Östrogen nicht nur auf Geschlechtszellen wirkt. Beispielsweise bilden Herzzellen unter Östrogen neue Eiweiße. Demnach hat jede Hormontherapie, auch die Anti-Baby-Pille zählt dazu, mehr Auswirkungen als angenommen und kann Herzkreislauf-Erkrankungen fördern. Besonders Frauen nach den Wechseljahren sind gefährdet. Das Risiko steigt durch Rauchen, Diabetes, Übergewichtigkeit. Auch einige genetische Faktoren können einen Herzinfarkt unterstützen, diese sind jedoch noch nicht erforscht. Unterm Strich wirken sich nach den bisherigen Erkenntnissen die Einzelfaktoren bei Frauen schlimmer aus als bei Männern.

Seit 1985 untersucht das Monica-Projekt der Weltgesundheitsorganisation WHO die Besonderheiten von Frauen bei bestimmten Krankheiten. Denn schon die Statistik verrät, dass ein Infarkt bei Frauen andere Symptome und einen anderen Verlauf hat. Deshalb sucht die Arbeitsgruppe nach Unterschieden, um Frauen gezielter beraten oder nach Operationen angemessen rehabilitieren zu können. "Viele Frauen haben Familie, Kinder und wollen sich die benötigte Ruhe nicht gönnen. Wir wollen helfen, solche Probleme zu lösen", erklärt Regitz-Zagrosek.

"Frauen sind nach einem Herzinfarkt durchschnittlich eine Stunde später als Männer im Krankenhaus", stellt die Oberärztin fest. Das liegt zum einen an den weniger offensichtlichen Symptomen, aber auch daran, dass Frauen Herzkreislauf-Probleme anders wahrnehmen. Es stimmt: Männer haben mehr Herzinfarkte, aber Frauen sterben öfter daran.

Alexander Florin

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