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Kaweh Niroomands Vision für Berlin 2030: „Olympische und Paralympische Spiele hier in der Stadt“

Infrastruktur, Sportstätten, Arbeitsmarkt und gesellschaftlicher Zusammenhalt – all das könnte durch Olympische Spiele an der Spree gestärkt werden, findet der Manager der BR Volleys.

Kaweh Niroomand
Ein Gastbeitrag von Kaweh Niroomand

Stand:

Berlin ist eine einzigartige Stadt. Hier vermischen sich eine bewegte Vergangenheit mit einer multikulturellen Gegenwart. Hier leben Menschen aus allen Kontinenten und erzeugen eine ebenso vielfältige wie weltoffene Atmosphäre. Hier besitzen alle Bezirke ihren eigenen, ganz speziellen Charakter und ergeben gemeinsam trotz oder wahrscheinlich sogar wegen all dieser Gegensätze ein faszinierendes Ganzes … wir dürfen also glücklich sein, in einer derartig facettenreichen und allzeit pulsierenden Metropole leben zu können.

Dennoch bemängeln viele Berliner*innen ihre Lebensqualität. Der Wohnraum ist knapp, die Mieten sind hoch. Die Kriminalitätsrate steigt, das Sicherheitsgefühl sinkt. Die Notaufnahmen sind überfüllt, ein kurzfristiger Facharztbesuch kaum möglich. Genauso wie ein Termin bei den überforderten und scheinbar von der digitalen Welt abgeschnittenen Bürgerämtern.

Schulgebäude sind marode, ausgebildete Lehrkräfte fehlen, Kitaplätze gelten als Mangelware. Der Autofahrer steht in einem der zahlreichen Baustellenstaus, die BVG-Fahrerin wartet auf die wieder mal verspätete Bahn, die Radfahrer quälen sich durch den lauten Berufsverkehr – vorbei an überfüllten Müllbehältern durch das von Graffiti und Vandalismus verschmutzte Stadtbild. Die Inflation tut ihr Übriges, sorgt für steigende Preise in allen Lebensbereichen und verschärft das soziale Gefälle.

Auch bei den Sportstätten ist der Sanierungsbedarf enorm, wird auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Aktuell sind 55 Sporthallen in nahezu allen Berliner Bezirken wegen baulicher Mängel geschlossen. Schulen können keinen geregelten Sportunterricht durchführen, Vereine müssen interessierte Kinder und Jugendliche mangels Trainingsmöglichkeiten abweisen.

Alle diese Probleme sind real und belasten unser Zusammenleben. Bevor wir also über eine Zukunftsvision für unsere Stadt nachdenken, müssen wir zunächst diese Herausforderungen des Berliner Alltags angehen.

Politik und Verwaltung müssen – unterstützt von der Wirtschaft und Zivilgesellschaft – Lösungen für diese Aufgaben schaffen. Natürlich ist deren Finanzierung aufgrund der angespannten Haushaltslage schwierig, aber ich bin überzeugt, dass dafür im Schulterschluss zwischen der Landesregierung, den Unternehmen der Stadt und bürgerlichen Initiativen neue Wege gefunden und notwendige Investitionen ermöglicht werden können.

Die Themen sind komplex, die Herausforderungen groß, deren Bewältigung jedoch möglich und die Grundvoraussetzung für unsere Zukunftsfähigkeit. Denn nur, wenn sich die Menschen hier wohl und sicher fühlen, können wir über „Berlin 2030 – Visionen für die Hauptstadt“ sprechen und schreiben.

Alle Videos aus der Serie „Berlin 2030“

Mehr Bilbao wagen

Dabei steht für mich das eine mit dem anderen in direkter Verbindung. Ein Blick auf Beispiele aufstrebender Großstädte zeigt, dass es oftmals solche Visionen in Form von Großereignissen und -projekten waren, welche als Initiator und Katalysator für einen Wandel im Alltäglichen wirkten.

Als sich die Guggenheim-Stiftung entschloss, im spanischen Bilbao ein spektakuläres Museum zu errichten, befand sich der Ort im Niedergang. Der Museumsbau verursachte nicht nur eine kulturelle Wiederbelebung, sondern auch einen Tourismusboom und infolgedessen einen wirtschaftlichen Aufschwung und Imagewandel für die Stadt im Baskenland.

Nehmen wir zum Vergleich die Bedeutung Berlins als Messe- und Kongressstandort. Das ICC, einst eines der modernsten Bauwerke seiner Art, steht seit der Schließung vor nun schon mehr als zehn Jahren weitgehend leer. Die Berliner Politik schwankt zwischen Abriss, Verkauf und Sanierung.

Mehrere Veranstaltungen sind inzwischen abgewandert. Erwiesenermaßen sind solche Events jedoch ein wesentlicher Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor, laut einer aktuellen Studie der Investitionsbank Berlin erzeugt ein Euro Veranstaltungsumsatz rund sechs Euro zusätzliche Kaufkraft in der Stadt.

Unsere Metropole besitzt aufgrund ihrer Lage und touristischen Infrastruktur ideale Voraussetzungen, einer der weltweit attraktivsten Messeplätze zu sein, nur eben kein dafür notwendiges, den Ansprüchen der heutigen Zeit entsprechendes Konferenzzentrum.

Um die Nutzung des ehemaligen Flughafens Tempelhof, der übrigens als Messestandort geradezu prädestiniert ist, gibt es seit Jahren Diskussionen – ein weiteres von vielen solcher Großprojekte, bei denen man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass diese in Berlin einfach nicht vorankommen, geschweige denn erfolgreich vollendet werden.

Aus meiner Sicht brauchen wir hierfür in der Landespolitik mehr visionäre Kraft und einen strategischen Weitblick, der über die eigene Legislaturperiode hinaus geht. Für mich sind derartige Projekte und Ereignisse elementar, damit Berlin wieder an Attraktivität und Anziehung gewinnt.

Die Kraft der fünf Ringe

Ein Großereignis, das unsere Stadt zum Besseren verändern kann, sind für mich als Sportler aus Leidenschaft und Überzeugung natürlich die Olympischen Spiele. Die Skepsis und Zweifel, mit der viele Berliner*innen einer solchen Idee begegnen, sind mir selbstverständlich bekannt. Ich kann ihre Begründungen wie das angeschlagene Image des IOC, der wenig nachhaltige Gigantismus der letzten Jahrzehnte oder auch die finanziellen Investitionen in eine Bewerbung ohne Garantie auf den Zuschlag, allesamt nachvollziehen.

Für mich überwiegen jedoch andere Argumente. Auf dem Weg zu Olympischen und Paralympischen Spielen hier in Berlin würden unsere städtische Infrastruktur verbessert, viele der Sportstätten saniert, die Digitalisierung vorangebracht sowie neue und moderne Arbeitsplätze geschaffen werden. Weltweit würde Berlins Strahl- und Anziehungskraft enorm aufgewertet werden. Zudem könnten wir mit CO₂-neutralen Spielen eine wichtige Blaupause für zukünftige Großveranstaltungen erschaffen. All das wäre für unsere Stadtentwicklung von großem und nachhaltigem Nutzen.

Vor allem aber glaube ich an die positive Kraft, die ein solches Gemeinschaftserlebnis für die Gastgeberstadt und deren Bevölkerung entwickeln kann. In Zeiten von politischer Spaltung und latenter Krisenstimmung können Olympische und Paralympische Spiele die Menschen zusammenbringen, ihnen eine Perspektive geben und insbesondere eine junge Generation für ein verbindendes Zukunftsziel begeistern, dessen Auswirkungen weit über den Sport und die Veranstaltung selbst hinausgehen.

Ich bin überzeugt: Olympia, das in seiner Natur genauso vielfältig und bunt ist wie unser Stadtleben, würde – nachhaltig geplant und gut organisiert – infrastrukturelle, wirtschaftliche und ganz besonders gesellschaftliche Impulse bringen, die wir dringend brauchen!

Unsere Stadt hat sich allein im letzten Jahrhundert mehrmals komplett neu erfunden und gefunden. Nach dem Ende von Kaiserreich und Erstem Weltkrieg in der wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit der „Goldenen Zwanziger“. Am Boden liegend, zerstört und geteilt nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Freudentaumel des Mauerfalls und der damit verbundenen Wiedervereinigung von Ost und West.

Berlin ist also nicht nur eine Stadt der Vielfalt, sondern auch des Wandels. Eine kraftvolle Kombination, die mich zuversichtlich stimmt, dass wir Berliner*innen allen Herausforderungen – sowohl des Alltags als auch der Zukunft – gewachsen sind.

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