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Berlin: Keine Verwendung mehr für den Chefankläger in Sachen DDR-Unrecht

Die Berliner Justiz braucht ihn nicht. Nun geht er.

Die Berliner Justiz braucht ihn nicht. Nun geht er. Heute hat der frühere Chefankläger in Sachen DDR-Unrecht, Christoph Schaefgen, mit 63 Jahren seinen letzten Arbeitstag. Er hätte gerne bis 65 weiter gearbeitet. Aber im öffentlichen Dienstrecht Deutschlands scheint es nicht möglich, für einen Generalstaatsanwalt ohne Staatsanwaltschaft noch eine sinnvolle Beschäftigung zu finden. Schaefgens "Staatsanwaltschaft II" in Berlin war im vorigen Jahr mangels Masse aufgelöst worden. Die Zeit ist vorbei. Im Oktober dieses Jahres verjähren alle einschlägigen DDR-Delikte bis zur Strafdrohung von fünf Jahren - alles unterhalb von Totschlag.

Der Ankläger hat seine Schuldigkeit getan. Die Betroffenen klagen überwiegend über "Siegerjustiz". Das trifft Schaefgen allerdings nicht. Wie wären wohl die Folgen für das Rechtsbewusstsein gewesen, hat er einmal rhetorisch gefragt, wenn die Justiz nicht auf die Menschenrechtsverletzungen der DDR reagiert hätte. Er hat jedenfalls reagiert, und das Bundesverfassungsgericht hat ihm Recht gegeben. Eine Fortentwicklung des Strafrechts sei das, meint er heute, "wenn Diktatoren Grenzen aufgezeigt werden".

Dass die Verantwortlichen kein Unrechtsbewusstsein gehabt haben könnten, mag er nicht glauben. "Auch der Primitivste weiß, dass man einen Menschen nicht dafür erschießen darf, dass er eine Grenze übertritt", hat der Generalstaatsanwalt einmal dem Tagesspiegel gesagt. Die DDR-Politik sei durch ein großes Maß an Verlogenheit gekennzeichnet gewesen, hat er auch gesagt, und die sechseinhalbjährige Strafe für Egon Krenz findet er milde.

Schaefgen ist also kein Mann, der bereit wäre, Menschenrechtsverletzungen als Reibungsverluste der Politik abzubuchen. Und er ist heute noch immer der Meinung, dass das föderale System der Bundesrepublik ihm seinerzeit nicht ausreichende Unterstützung für seine Zentralstelle in Berlin gewährt hat. Der erste westdeutsche Staatsanwalt kam erst im Februar 1991, als die Ankläger sich schon mit dem Fall Honecker herumschlugen. HANS TOEPPEN

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