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Berlin: Kiepert setzt auf einen harten Schnitt

Von Stefan Jacobs Die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Traditionsbuchhandlung Kiepert will einige ihrer etwa 300 Berliner Mitarbeiter entlassen. Was bei einer ähnlichen Krise im Sommer 1999 knapp vermieden werden konnte, steht nun unmittelbar bevor: betriebsbedingte Kündigungen.

Von Stefan Jacobs

Die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Traditionsbuchhandlung Kiepert will einige ihrer etwa 300 Berliner Mitarbeiter entlassen. Was bei einer ähnlichen Krise im Sommer 1999 knapp vermieden werden konnte, steht nun unmittelbar bevor: betriebsbedingte Kündigungen. „Wir sind an dem Punkt, wo es nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Wir müssen einen harten Schnitt machen“, sagt Regine Kiepert, die Marketingchefin des Familienunternehmens. Welche der neun Berliner Filialen besonders betroffen sind, wollte sie vor der für den späten Mittwochabend angesetzten Personalversammlung nicht sagen. Klar sei nur, dass das Hauptgeschäft am Ernst-Reuter-Platz „das Aushängeschild“ bleibe und dass es der Filiale im ProMarkt im Reinickendorfer Einkaufszentrum Clou „nicht so gut“ gehe. Gerüchte, wonach etwa 20 Mitarbeiter gehen sollen, wollte das Unternehmen nicht bestätigen.

Neben dem Personal will Kiepert auch am Platz sparen – aber nicht an der Qualität. Die 110 000 in der Hauptfiliale angebotenen Titel sollen auch künftig sofort zu haben sein, aber sie müssen zusammenrücken. Kiepert will sich von einem Teil seiner – teils gemieteten, teils eigenen – Flächen in dem 50er-Jahre-Bau nahe der Technischen Universität trennen. Dabei hatte das Unternehmen auf die Durststrecke vor drei Jahren noch umgekehrt reagiert: Obwohl eine Unternehmensberatung den Abbau von 30 Stellen in der Hauptfiliale empfohlen hatte, ging Kiepert in die Offensive und etablierte CD-Abteilung, Zeitschriftenladen, Café sowie Service von der Garderobe bis zur Online-Beratung. „Der Ausbau war richtig, aber im Nachhinein könnte man sagen, dass es besser gewesen wäre, zweigleisig zu fahren, also auch zu sparen“, sagt Regine Kiepert.

Die Angestellten in den Geschäften warten nun sorgenvoll auf die nächsten Tage – und auf ihre Kontoauszüge: 70 Prozent des Mai-Gehaltes sollen ihnen pünktlich überwiesen werden; den Rest werden sie frühestens in der nächsten Woche bekommen.

Fast alle der Kiepert-Mitarbeiter sind ausgebildete Buchhändler. Die Geschäftsleitung sieht das Fachpersonal aber auch in Zeiten von Billigjobs und Quereinsteigern eher als Trumpf denn als Kostenfaktor. Der Ernst der Lage bei Kiepert resultiert aus der Summe verschiedener Probleme, die einzeln halb so schlimm wären: Internethändler ködern einen Teil der Bücherwürmer, die Fläche des Berliner Buchhandels hat sich in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt, prominente n wie Hugendubel, Dussmann oder Thalia locken die Kundschaft in der City, die öffentliche Hand knausert mit der Ausstattung von Unis und Bibliotheken und zahlt obendrein nicht immer pünktlich, und der Umsatz bei den Privatkunden stagniert.

Einen Ausweg aus der Misere sieht Kiepert in neuen Dienstleistungsangeboten wie etwa Seminaren. Gemeinsam mit Partnerfirmen sollen Bewerbungstrainings, Präsentationsübungen oder zeitgemäße Smalltalk-Schulungen angeboten werden, kündigt Regine Kiepert an. Wie solche Veranstaltungen auf künftig verkleinerter Fläche funktionieren sollen, weiß sie aber ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob diese Angebote einen Teil des vorhandenen Personals retten könnten. Und der Betriebsrat war gestern zu keiner Stellungnahme bereit.

Beim Verband der Verlage und Buchhandlungen wollte man sich gestern zur Situation von Kiepert nicht äußern. Der Verband hatte sich bisher vor allem besorgt über die Situation kleinerer Buchläden geäußert, die dem Konkurrenzkampf zum Opfer fallen könnten. Die Großen galten dagegen als „Haifische“, denen so leicht nichts passieren kann.

Für Kiepert ist klar, dass der Umsatz nicht durch PR-Gags oder Massenware angekurbelt werden soll. „Zu uns kommt man nicht wegen Harry Potter. Den nimmt man höchstens mit, wenn man einmal hier ist“, sagt Regine Kiepert.

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