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6000 Bücher sollte die Kurt-Tucholsky-Bibliothek aussondern. Darunter nicht nur sogenanntes Verschleißgut, sondern auch einige Klassiker wie von Heinrich Mann oder Erich Kästner. Die Bücherei wehrte sich mit einer Ausleih-Aktion - und war erfolgreich.

© dpa

Kiezbücherei in Prenzlauer Berg: Die Kurt-Tucholsky-Bibliothek bangt um ihren Bücherbestand

Die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in Prenzlauer Berg soll 6000 Bücher vernichten – so ist es Vorschrift. Am 19. Juni kommen vier Bibliothekarinnen des Bezirks, um den Vorgang zu unterstützen. Doch die Bibliothek wehrt sich. Sie ruft Leser zur Massen-Ausleihe auf.

Leser sollen Bücher retten – ausgerechnet vor Bibliothekaren. Diese auf den ersten Blick paradoxe Aktion spielt sich derzeit in der Kurt-Tucholsky-Bibliothek in Prenzlauer Berg ab. Unter dem Motto „Ausleihen statt Aussondern“ ruft sie ihre Nutzer dazu auf, bis zum 19. Juni so viele Bücher wie möglich mit nach Hause zu nehmen. Für diesen Tag haben sich Kontrolleure angekündigt, um die Bestände zu sichten – und Bücher massenhaft auszusondern.

Denn die Bücherei, ehrenamtlich betrieben vom Verein „Pro Kiez Bötzowviertel“, ist als Mitglied des Verbunds Öffentlicher Bibliotheken Berlins (VÖBB) verpflichtet, jährlich 10 bis 15 Prozent ihrer Bücher auszusortieren. Das soll die Qualität sichern. Entsorgt werden „Verschleißgut“ und Bücher, die seit vier Jahren oder länger nicht mehr entliehen wurden.

In der Tucholsky-Bibliothek hieße das, dass von den 24 000 Büchern jedes Jahr etwa 3000 erneuert werden müssten. Das Geld für Neuanschaffungen reicht aber nur für 500. Irgendwann wären die Regale leer, befürchtet der Kiezverein, der die Bücherei einst vor der Schließung rettete. Dieses Jahr müssten mit einem Mal sogar 6000 Bände weg, „weil wir diesen Wahnsinn in den letzten Jahren – aus schon rein rechnerisch einleuchtenden Gründen – nicht zahlengetreu umgesetzt haben“, wie es heißt. Uta Egerer von „Pro Kiez“ kann ja noch verstehen, wenn Bücher veralteten Inhalts ausgesondert werden, wie neulich der DDR-Elektrotechnikband. Schade sei es aber um die vielen Klassiker von Goethe oder Schiller. Auch Werke von Paul Auster oder Fjodor Dostojewski seien gefährdet.

Der Pankower Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) findet es schwierig, eine gute Lösung zu finden. Denn die Tucholsky-Bibliothek habe eine Sonderstellung – sie ist neben der Thomas-Dehler-Bibliothek in Schöneberg die einzige ehrenamtliche im VÖBB. Sie verursacht keine Personalkosten, wird aber statistisch trotzdem mit den anderen Bibliotheken verglichen. Diese haben dann mehr Druck, mit weniger Budget zurecht zu kommen. Besser geht es der Dehler-Bibliothek, die „eher nachsichtig behandelt wird“, wie Bibliothekarin Annette Lauterbach sagt. Allerdings habe sie auch einen anderen Status als die Tucholsky-Bibliothek, weil der Bestand viel geringer sei.

Grundsätzlich unterstützt Kulturstadtrat Kühne die Aktion des Kiezvereins: „Ich finde die Idee sehr kreativ und würde mir sogar wünschen, dass man das Ganze auch auf andere Bibliotheken ausweitet.“

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