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Berlin: Kilo Romeo an Tempelhof Turm: Fertig zur Landung

Achtzig Hobbyflieger setzten sicher auf dem zentralen Airport der Stadt auf. Dabei ist die Orientierung in und um Berlin gar nicht so einfach

Hetta Reinsch schaut durch die Cockpitscheibe auf die Erde, das Mikro vorm Mund. „Tempelhof Turm. Delta Echo Charlie Kilo Romeo Cessna 172 VFR von Diepholz zur Landung“, sagt sie. Was so viel heißt wie: Bin mit meiner einmotorigen Maschine im Anflug und würde gern runterkommen. Geht klar: Landung frei, lautet die Antwort. Anderthalb Stunden hat die 56-jährige Lehrerin im Alleinflug für die Strecke bis Berlin gebraucht. „Sehen Sie doch mal“, sagt sie beim Aussteigen und zeigt auf die riesigen Buchstaben am historischen Flughafengebäude. „Es ist immer wieder ein Erlebnis, hierher zu kommen.“

Die Fluglehrerin aus dem kleinen Ort zwischen Bremen und Osnabrück gehört zu den achtzig Privatpiloten aus ganz Deutschland und Nachbarländern, die anlässlich der Fliegerrallye und des Sternfluges vom Luftsportclub SXF und des Deutschen Aero Clubs am Wochenende nach Berlin gekommen sind. Am Abend trafen sie sich bei der Festveranstaltung zum 100-jährigen Geburtstag des Motorflugs in Adlershof, heute setzen die 100 Hobbyflieger in Schönefeld auf.

Hobbyflieger – dieses Wort hören die fast 2500 Privatpiloten in Berlin und Brandenburg gar nicht gern, sagt Flugexperte Thomas Kärger vom „Pilot/Controller Club“. Man könne nicht einfach so aus Vergnügen den Motor starten. Hunderte Theorie- und Praxisstunden, ärztliche Checks, Fortbildungen, das teure Fluggerät, all die vielen Pflichtüberprüfungen – allein die Sichtfluglizenz koste um die 7000 Euro: „Das ist weit mehr als nur Hobby“, sagt Aero-Club-Motorflugreferent Frank Eichberger. Und weil Sicherheit bei der Fliegerei an erster Stelle steht, hat man den ortsunkundigen Berlin-Besuchern anlässlich des Treffens zusätzlich einen aus dem Cockpit heraus gedrehten Infofilm zugeschickt. So würden auch die Kapitäne der großen Fluggesellschaften für fliegerisches Neuland fit gemacht, sagt Thomas Kärger.

Hetta Reinsch brauchte sich den Streifen nicht anschauen. Sie war schon öfter in Berlin und hofft wie ihre Fliegerkollegen, dass Tempelhof nicht dichtgemacht wird. Aber trotzdem könne es „manchmal schon schwer werden, so einen Flughafen zu finden“. Trotz guter Sicht und intensiven Studiums der Karten. Ein Beispiel: Dort, wo auf der Karte die rosafarbene Kontrollzone für Berlin beginnt, ist die Autobahn nicht weitergezeichnet. „Später kann man dann eine Fernstraße mit der Autobahn verwechseln“, sagt die 56-Jährige in ihrer Cessna Baujahr 1978. Richtig verfliegen könne sich aber keiner über Berlin: „Sie sind ja im ständigen Kontakt mit dem Tower, und die Controller helfen.“ „Ganz schön schwierig“, findet es Olaf Höhn, Eisspezialitäten-Unternehmer und erfahrener Geschäftsflieger, sich rund um Berlin zu orientieren. „Da gibt es wenige markante Punkte, und Wiesen und Wälder sehen alle gleich aus.“ Aber die Stadt! „Silvester bin ich geflogen, das war einfach irre.“

Pilotin Hetta Reinsch wurde von einer Bekannten von der internationalen Pilotinnen-Vereinigung „99s“ zur Feier nach Berlin und Reinsdorf eingeladen. Frau Reinsch ist seit 1970 „vom Flieger-Virus infiziert“. Dieses Gefühl, sich über alles erheben zu können! Die reizvollen Wetterbedingungen, da oben in 2500 Meter Höhe, 250 Kilometer schnell, und dann all die vielen Dinge gleichzeitig zu koordinieren: „Da steigt der Adrenalinspiegel.“ Ihr Traum? „Einmal hoch auf eine Raumstation.“ Nur an eine Situation – in der Fliegerfachsprache „near miss“ genannt – erinnert sich die Berlin-Besucherin in der hellblau eingekleideten Cockpitkanzel nicht so gern. „Einmal war ich noch 200 Meter tief, und trotzdem sind zwei Phantom-Düsenjäger unter mir durchgerauscht.“

Da hat ihre kleine „Kilo Romeo“-Maschine etwas mehr gezittert als hier draußen im Seitenwind auf dem Tempelhofer Flugfeld.

Annette Kögel

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