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Bunt geht es zu, bis die dritte Orange geheiratet ist.

© Monika Rittershaus/promo

Was macht die FAMILIE?: Kinder zum Kulturgenuss zwingen

Wie eine Mutter die Stadt erlebt: Fatina Keilani nötigt ihre Kinder zu einem Besuch der Komischen Oper.

Von Fatina Keilani

Die Grundschule des Jüngsten bot einen Besuch der Komischen Oper an – eine tolle Gelegenheit, dachte ich, und kaufte vier weitere Karten für den Rest von uns. Sie galten ganz mondän für die Erwachsenenvorstellung am Samstagabend. Meine erwachsene Vorstellung dabei war, dass wir uns schick machen, schon am Nachmittag in Richtung Stadt fahren, ein wenig flanieren, vor der Vorstellung etwas essen und dann angenehm gestimmt das Opernhaus betreten.

Das Ergebnis fiel leider völlig anders aus. Schon die Tage zuvor hatte ich betont, dass ich mich seit Wochen auf den Besuch freue, Subtext: Spielt gefälligst mit! Die Tickets lagen ebenfalls seit Wochen für jedermann sichtbar im Wohnzimmer. Zweiter Rang, erste Reihe, das ist in dem recht kleinen Opernhaus ein top Platz, und – wie herrlich diese Kultursubventionen doch sind! – ich musste zwar voll zahlen, die Kinder aber nur zehn Euro pro Nase. Fantastisch!

Da staubt echter Puder, und echte Menschen singen!

Meine Begeisterung und Vorfreude liefen allerdings komplett ins Leere, ja, mehr noch, ich fühlte mich von den Kindern regelrecht sabotiert. Schlaff hingen sie vor ihren Handys. Auf Spazieren hatten sie keinen Bock, und als auch niemand zum vereinbarten Abreisezeitpunkt erschien, brach ich erst in Zetern aus, bevor ich mich dann in weinerlichen Tiraden erging. Unwillig tauchte dann eine Viertelstunde später einer nach dem anderen auf, aber da war meine Laune schon im Keller. Ich war vergrätzt angesichts des Begeisterungsmangels beim Nachwuchs – dies war schließlich „real life“, das ist doch was anderes als Youtube, da vorne staubt echter Puder! Und echte Menschen singen!

Dass man die Handys ausmachen musste und auch die ganze Zeit nicht draufschauen durfte, empfanden die Kinder zwar als Amputation, hielten sich aber daran.

In der Pause gab es Limo und die letzten fünf ofenwarmen Brezeln. Die Gemüter beruhigten sich etwas, auch meins. Nachdem der traurige Prinz dann allen Intrigen zum Trotz seine Ninetta geheiratet hatte – es gab „Die Liebe zu drei Orangen“ –, strömten alle zum Ausgang, wo uns noch ein delikates Geschenk beglückte: eine Praline von Sawade in eigener kleiner Schachtel, sehr köstlich und willkommen als hart erarbeitete Belohnung. Ich schärfte jedem ein, nur eine zu nehmen.

Hinterher fanden sie es doch ganz cool

Am nächsten Tag erfuhr ich doch noch etwas Genugtuung. Der Älteste sagte, die Oper sei echt ganz gut gewesen, vor allem die Musik, und: „Das könnten wir eigentlich öfter machen.“ Ich traute meinen Ohren kaum – war er doch der schlimmste Saboteur gewesen, da er mit seinen Zockfreunden lieber eine LAN-Party machen wollte. So ermutigt, redete ich gleich weiter, von Regie und Interpretation, künstlerischer Freiheit und dass die Oper auch ganz anders hätte aussehen können. Richtig verstanden sie es aber erst, als wir auf Youtube den Clip der Deutschen Oper schauten. Dasselbe Stück, eindeutig an der Musik erkennbar – aber statt einer hellen, märchenhaft-bunten Darstellung wie in der Komischen Oper ist das Stück der Deutschen Oper angesiedelt in einem finster-verqualmten Zwanzigerjahre-Gangstermilieu – mit Strapsdamen (die Tagesspiegel-Kritik nannte es nach der Premiere 2012 eine Revue). So viel Freiheit hat der Künstler!

„Die Liebe zu drei Orangen“ ist erneut am 16. 12. um 19 Uhr in der Komischen Oper zu sehen (www.komische-oper-berlin.de.) Ein spezielles Programm für Kinder, Jugendliche und Familien gibt es außerdem bei der Deutschen Oper (www.deutscheoperberlin.de).

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