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Berlin: Kindergartenplätze alleine reichen nicht Wie familienfreundlich ist Berlin? Politiker streiten Experten fordern mehr Wohnprojekte in der City

Berlin ist familienunfreundlich? „Lächerlich“, hieß es gestern in der Senatsverwaltung für Soziales: „Keine Stadt hat so viele Betreuungsmöglichkeiten für Kinder wie Berlin.

Von Sandra Dassler

Berlin ist familienunfreundlich? „Lächerlich“, hieß es gestern in der Senatsverwaltung für Soziales: „Keine Stadt hat so viele Betreuungsmöglichkeiten für Kinder wie Berlin.“ Auch Bildungssenator Klaus Böger (SPD), der zugleich für Familienpolitik zuständig ist, meint: „Die Ausstattung an Hort- und Krippenplätzen wird in Berlin zu Recht als vorbildlich bewertet.“ Sowohl Böger als auch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) scheinen von dem durch Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) vorgestellten Familienatlas überrascht zu sein. Die Studie bescheinigt Berlin wenig Perspektiven für Familien.

Doch reichen viele Kita-Plätze aus? Knake-Werner sprach es dann selbst aus: „Die beste Familienpolitik besteht noch immer in der Schaffung von existenzsichernder Arbeit.“ Und Böger meinte: „Wir können nicht alle Probleme von heute auf morgen lösen.Es gibt viele sozial schwache Stadtteile.“

Genau diese sozialen Probleme hatte auch die Studie des Institutes Prognos als Hauptursachen für die Familienunfreundlichkeit von Berlin aufgelistet: überdurchschnittlich große Arbeitslosigkeit, viele Kinder und Jugendliche, deren Eltern Sozialhilfeempfänger sind, hohe Schulabbruchquoten, niedrige Geburtenrate, aber auch die Abwanderung von Familien ins Umland.

Zumindest letzteres könnte durch eine bessere Familienpolitik verändert werden, sagt Mathias Bucksteeg, der Direktor Deutschland von Prognos: „Berlin hat in den vergangenen Jahren durch die deutsche Einheit und den Hauptstadtbeschluss genug Zuzug gehabt. Aber es gab keine Konzepte, um die Zugezogenen in der Stadt zu halten.“ In Heilbronn und Köln beispielsweise hätten die Stadtväter innerstädtische Wohngebiete speziell für Familien mit mittleren Einkommen ausgewiesen – mit Erfolg.

Auch Hans Bertram vom Lehrstuhl Mikrosoziologie der Humboldt-Universität ist der Ansicht, dass die Politik in Zukunft familienfreundlicheren Wohnraum in den Stadtzentren schaffen müsse: „Großstädte wie Berlin ziehen nun einmal vor allem junge Alleinstehende im Alter zwischen 20 und 40 Jahren an“, meint er. „Bislang war dieser Zuzug auch immer gesichert. In Zukunft wird das aber nicht mehr so sein. Berlin muss deshalb auch die Familien halten, denn sie stellen das Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften, die Firmengründungen und -erweiterungen ermöglichen und damit Wirtschaftsstandorte sichern.“

Die Opposition fühlt sich von der Studie bestätigt. „Fast alle Sparmaßnahmen des Senats gehen zu Lasten der Familien“, sagt Axel Rabbach, der familienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion: „Man kann nicht die Kita-Gebühren erhöhen, bei Einrichtungen der Jugendhilfe kürzen, die Bäder Monate lang schließen und sich dann wundern, dass man nicht familienfreundlich ist.“ Außerdem habe beispielsweise der Senator für Wirtschaft und Frauen keinerlei Initiativen ergriffen, um berufstätigen Müttern das Leben zu erleichtern.

Dass Kitaplätze allein noch keine familienfreundliche Stadt ausmachen, bestätigt auch die Leiterin des Kinder- und Jugendbüros Marzahn-Hellersdorf, Heide Metzner: „Wir erleben täglich, dass berufstätige Frauen nicht wagen, zur Pflege eines kranken Kindes zu Hause zu bleiben – aus Angst, der Arbeitgeber könnte sie bei nächster Gelegenheit entlassen.“ Auch die Kürzung der Mittel für viele Kinder- und Jugendeinrichtungen habe Folgen. Viele Einrichtungen und Vereine seien verschwunden, andere müssten ihre Betreuungs- und Hilfsangebote dramatisch einschränken.„Angesichts von vielen Kindern aus sozial schwachen Familien, die nicht mehr durch Kindertagesstätten betreut werden, ist das besonders schlimm“, findet Heide Metzner.

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