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Berlin: Kino für Stammgäste

Das Filmkunst 66 feiert Geburtstag

Eigentlich hatte Franz Stadler die Leitung des Kinos schon am 1. Oktober 1971 übernommen. Aber so richtig ging es erst zwei Jahre später los. Dazwischen wurde das Haus in der Bleibtreustraße gründlich renoviert. Damals schien übrigens ein Fluch auf der gesamten Straße zu liegen: Banden von Exiliranern hatten sich hier im Juni 1970 ein Feuergefecht geliefert, es gab einen Toten und mehrere Schwerverletzte. Eine Kugel traf das Fenster zum Vorführraum. Ausgerechnet hierher, in die „Bleistreustraße“, wollte Franz Stadler ein eher bildungsbürgerliches Publikum locken. Er hat es geschafft – und er schafft es mit Unterstützung seiner Frau Rosemarie bis heute. Seit 30 Jahren ist das Filmkunst 66 kein anonymer Großbetrieb, sondern ein familiäres Off-Ku’damm-Kino mit Stammgästen.

In den ersten Jahren bot Stadler Nachhilfeunterricht in Filmgeschichte. Er stellte Komiker und Comicfiguren vor, Tex Avery, die Marx Brothers, Donald Duck. Über die erfuhr man in den Hochschulen nichts. Er veranstaltete Reihen über Western, den Horror-, den Sexfilm. Off-Kino-Hits wie „Harold and Maude“ und „Taxi zum Klo“ sind ihm nicht einfach zugeflogen: Stadker ist ein aufmerksamer Festivalbesucher. „Man muss frühzeitig Filme entdecken, bevor andere sie entdecken.“ Im Mai 1997 war er in Cannes von dem Polizeithriller „L.A. Confidential“ begeistert und sicherte sich die Vorführungsrechte. Zuletzt feierte Stadler mit dem Eskimodrama „Atanjurat“ einen Überraschungserfolg.

Nun mögen – seit der Kurfürstendamm ins hauptstädtische Abseits geraten ist – die besten Zeiten unwiederbringlich vorbei sind. Dennoch hat der Wahnsinnssommer 2003 das Filmkunst 66 nicht so schwer getroffen wie die Multiplexe. Denn Stadler bietet Festivals und Themenschwerpunke: Lateinamerika, China, Japan, Kurzfilme. Oder er zeigt Filme, die keinen Verleih finden. Für sein Engagement ist er mittlerweile vom Bundesinnenminister ausgezeichnet worden.

Hohe Politprominenz und große Reden erwartet Stadler zum Geburtstagsfest nicht. „Ich lasse“, sagt der Kinomacher, „lieber die Filme sprechen.“ Deshalb, kurz und herzlich: Glückwunsch!

Heute ab 20.30 Uhr: Ausschnitte aus alten Slapstickfilmen, zu Eintrittspreisen wie vor 30 Jahren – 3 Euro. Ab ca. 22.45 Uhr: Preview „Intolerable Cruelty“ der Coen-Brüder

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