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Schwester Gabriele Piel in ihrem Zimmer im Sanatorium West in Lanwitz. Fünf Monate später starb sie.

© Thilo Rückeis

Kirche in Berlin: Diakoniewerk nimmt Ausschluss von Diakonisse zurück

Gabriele Piel war Bethel-Diakonisse. Dann wurde sie krank, und ihre Gemeinschaft schloss sie aus. Die Eltern zogen vor Gericht. Jetzt wurde der Ausschluss zurückgenommen.

Was am Donnerstag um 9.45 Uhr in Raum 160 im Berliner Landgericht passierte, hatte kaum jemand noch für möglich gehalten: Das Diakoniewerk Bethel nahm den Ausschluss der langjährigen Diakonisse Gabriele Piel zurück. "Das ist für uns ein großer Erfolg", sagte Gerhard Piel, der Vater von Schwester Gabriele. "Wir haben den letzten Wunsch unserer Tochter erfüllt", fügte Mutter Helga Piel unter Tränen hinzu. Das Diakoniewerk Bethel "erklärt auch als Vertreterin der Schwesternschaft, dass aus dem Ausschluss von Gabriele Piel keine Rechte hergeleitet werden und erklärt, dass damit Gabriele Piel bis zu ihrem Tod Mitglied der Schwesternschaft war", heißt die juristische Formel, auf die sich die Eltern Piel und das Diakoniewerk Bethel einigten. Arbeitsrechtlich lässt sich eine einseitige Kündigung nicht zurücknehmen, sondern lediglich ihre Wirksamkeit verändern, erklärte Anwältin Sabine Assmann. Zugleich verzichteten die Eltern auf materielle Ansprüche gegenüber dem Diakoniewerk. Die Prozesskosten trägt das Werk. Damit gehen ein Kampf und ein Rechtsstreit zu Ende, der in Kirchenkreisen und darüber hinaus viele empört hatten.

Schwester Gabriele ist gestorben

Leider kann sich Schwester Gabriele Piel über die Rücknahme ihres Ausschlusses nicht mehr persönlich freuen. Sie ist im Oktober 2015 mit nur 52 Jahren gestorben. Bis zum Schluss hatte sie gegen den Ausschluss gekämpft, den sie als "grobes Unrecht" empfunden hatte. Ihren Eltern gab sie auf dem Sterbebett den Wunsch mit auf den Weg, für sie weiterzukämpfen.

Mit 20 hatte sie gelobt, als Bethel-Diakonisse zu leben: ehelos, in Gemeinschaft mit den anderen Schwestern und im Dienst für andere. Jahrelang arbeitete sie als Seelsorgerin und Pastorin. Ihr Gehalt zahlte sie wie die anderen Schwestern auch in die Gemeinschaftskasse der Diakoniegemeinschaft Bethel ein. Die Gemeinschaft verpflichtet sich im Gegenzug, eine gesetzliche Rentenversicherung für die Schwestern abzuschließen und sie im vollen Umfang zu versorgen, wenn sie krank und alt sind.

Die Diakoniegemeinschaft warf ihr vor, sich von der Gemeinschaft entfernt zu haben

Doch als Gabriele Piel schwer erkrankte, wurde sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Oberin warf ihr vor, sich durch den jahrelangen Aufenthalt im Sanatorium West in Lankwitz "der Gemeinschaft zu entziehen" und ihre Tracht abgelegt zu haben. Dadurch gefährde sie das Ansehen der Gemeinschaft. Doch dieselbe Oberin hatte 2010 dem Heimaufenthalt schriftlich zugestimmt. Sie war auch damit einverstanden gewesen, dass Schwester Gabriele die Tracht ablegte. Das hatten die Ärzte empfohlen, damit die anderen Heimbewohner Schwester Gabriele nicht als Mitarbeiterin des Krankenhauses ansehen und ständig um Hilfe bitten.

Als die Kündigung im Oktober 2014 kam, wurde Schwester Gabriele nach 15 Bauchoperationen im Sanatorium in Lankwitz rund um die Uhr medizinisch und psychisch versorgt. Hätten ihre Eltern sie finanziell nicht unterstützt, hätte sie die Versorgung dort abbrechen müssen. Ihre gesetzliche Rente reichte dafür nicht aus, und das Diakoniewerk weigerte sich zuzuzahlen.

Vor dem Landgericht Berlin hatten die Eltern nun gegenüber dem Diakoniewerk Versorgungsansprüche ihrer Tochter in Höhe von 6300 Euro geltend gemacht. "Das Geld ist mir gar nicht so wichtig", hatte Gerhard Piel am Mittwoch dem Tagesspiegel gesagt. Es gehe um die Ehre der Tochter. Die Vorwürfe seien absurd, seine Tochter habe sich immer voll und ganz als Bethel-Diakonisse verstanden und sich keineswegs "vorsätzlich" der Gemeinschaft entzogen, wie das Werk ihr vorwarf.

Der Rauswurf hat viele empört

Die Diakoniegemeinschaft Bethel ist 2016 mit dem Diakoniewerk Bethel verschmolzen, das 1700 Mitarbeiter beschäftigt. Die Bethel-Diakoniegemeinschaft geht zurück auf ein Diakonissenhaus, das ein Baptistenpastor 1887 in Berlin gegründet hatte. Mit den Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld hat die Gemeinschaft nichts zu tun. Viele der 48 Bethel-Diakonissen sind weit über 70 Jahre alt. Schwester Gabriele war die jüngste gewesen.

Das Diakoniewerk Bethel gehört zum Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden (BEFG). Der Bund hat vergangenes Jahr einen Ausschuss eingesetzt, der überprüfen soll, ob das Diakoniewerk Bethel nach dem Rauswurf von Schwester Gabriele und zwei weiterer Schwestern sowie einiger anderer Vorgänge noch den Status der "Bekenntnisgemeinschaft" erfüllt. Bis Mai sollen Ergebnisse vorliegen. Wenn der Status aberkannt wird, könnte das Werk aus dem BEFG ausgeschlossen werden. Dann droht auch der Ausschluss aus dem Diakonischen Werk der evangelischen Landeskirche.

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