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© ddp

Kleinmachnow: Die Wildschwein-Jäger

Die eine locken sie mit Keksen näher, die anderen haben Angst um ihre Kinder: Kaum ist es dunkel in Kleinmachnow, kommen die Wildschweine. Die Gemeinde hat bereits eine Wildschwein-Hotline eingerichtet. Und schickt nun sechs Jäger auf die Tiere los.

Jeden Tag mit Einbruch der Dämmerung fallen Wildschweine mit ihrem Nachwuchs in Kleinmachnow ein: Sie pflügen Blumenbeete um, suhlen sich auf dem Sportplatz, durchwühlen Komposthaufen und galoppieren über den Friedhof. Die Gemeindeverwaltung spricht von einer Plage. Jäger sollen nun Abhilfe schaffen. Mit einer Sondererlaubnis dürfen sie die Tiere in der Stadt schießen.

Die Jäger werden im Ort als "Mörder" beschimpft

Jagdpächter Hans Diwiszek sagt, dass er sechs Jäger im Einsatz habe: "Unsere Aufgabe ist es, den Bestand so weit wie möglich zu reduzieren." Der Jagdpächter hat die Stadt "in vier Jagdbezirke" eingeteilt. In ihrer Freizeit gehen die Hobby-Jäger auf Patrouille. "Seit Juni haben wir bereits 34 Sauen auf die Schwarte gelegt", berichtet der 81-Jährige. Zu ihrer eigenen Sicherheit tragen die Jäger Westen in grellem Orange und ein Band am Hut. "Damit jeder sieht, dass wir keine Kriminellen sind", erklärt Diwiszek. Die Streifen sind immer zu zweit unterwegs, darauf legt Diwiszek großen Wert. Er sorgt sich um das Wohl der Schützen. Sie seien bereits als "Mörder" beschimpft und verbal angegriffen worden, sagt der Pächter.

Die Stadt mit rund 19 000 Einwohnern sei in ihrer Einstellung zur Jagd geteilter Meinung. Die Gemeinde weiß sich nicht anders zu helfen. Auf der Suche nach Futter seien vergangenes Jahr zahlreiche Wildschweine in die Stadt gekommen, sagt Gemeindesprecherin Martina Bellack. In den gut gewässerten Gärten hätten sie offenbar viele Knollen und Würmer gefunden. "Das haben sie sich gemerkt, jetzt kommen sie mit ihren Kindern."

Vor zwei Wochen hat die Stadt eine Hotline eingerichtet, pro Tag gehen vier bis fünf Hinweise ein. In einem Faltblatt wird empfohlen, Komposthaufen nur in umzäunten Grundstücken anzulegen und abends keine gelben Säcke auf die Straße zu stellen. Außerdem wird den Bürgern geraten, einen mindestens 1,50 Meter hohen Zaun um ihren Garten zu ziehen. Im Ernstfall sollten die Menschen besser "einen großen Bogen" um die Wildschweine machen. Viele Eltern hätten vor allem Angst um ihre Kinder, sagt Bellack.

Zwei Hunde haben die Wildschweine schon gerisssen

Auch der Jagdpächter ist besorgt: "Schwarzwild ist wehrhaftes Wild." Wenn Bachen Angst um ihre Frischlinge bekämen, könnten sie aggressiv werden. Zwei Hunde wurden in Kleinmachnow schon tödlich verletzt, Menschen kamen bislang nicht zu Schaden. Das Schwarzwild habe seine natürliche Scheu verloren, sagt Diwiszek. Das sei gerade für Kinder gefährlich, durch lautes Lachen oder Schreien könnten die Wildschweine erschreckt werden. Die Tiere hätten sich gut an die Zivilisation angepasst, erläutert der Geschäftsführer des Landesjagdverbands, Bernd Möller. Wildschweine gingen dorthin, wo sie am besten und am einfachsten fressen könnten. Städte seien für sie ein Schlaraffenland. Ein Nachbar in Wilhelmshorst habe Wildschweine sogar mit Keksen angelockt: "Frischlinge sind ja so süß." Es seien jedoch immer noch Wildtiere, mahnt der Vereinschef.

Laut Möller bringt jede Bache pro Jahr fünf bis acht Frischlinge zur Welt. Durch die milden Winter gibt es kaum Verluste, die Population vermehrt sich rasant. Die Jäger müssten deshalb bis zu 90 Prozent des Nachwuchses erschießen. Nach Angaben des Referatsleiters Jagdwesen, Roland Maier, wurden in der vergangenen Saison in Brandenburg 43 000 Wildschweine erlegt. Spitzenreiter waren die Uckermark, Märkisch-Oderland und Potsdam-Mittelmark. Diwiszek verweist auf die Schwierigkeiten der Jagd innerhalb des Ortes. Es müsse sichergestellt werden, dass weder Menschen noch Gegenstände in die Schusslinie gerieten. Zudem braucht es die Genehmigung der Grundeigentümer. Die Anträge müssen beim Ordnungsamt gestellt werden, die Untere Jagdbehörde benachrichtigt die Jäger. Das Prozedere dauere viel zu lange, findet der 81-Jährige. "Was soll der Quatsch? Die Sauen warten doch nicht, bis ich komme."

Vor wenigen Tagen hat Diwiszek eine zweite Falle aufgestellt. In die erste Falle tappten bereits neun Frischlinge. Selbst dem Jagdpächter mit 40 Jahren Berufserfahrung fiel es schwer, die quiekenden Jungen zu erschießen. "Ich bin kein Metzger", betont Diwiszek. Sein Anliegen sei es, das Wild zu hegen und zu pflegen. Kathrin Hedtke/ddp

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